Der Gladiator
hastete, wiederholte sie immer wieder: »Claudius muß sterben – Agrippina muß sterben – der Ahenobarbus muß sterben!«
Die Villa Messalinas im vornehmen zweiten Stadtbezirk Coelomontium war von riesigem Ausmaß. Sie hatte sie gemietet, um ihre nymphomanischen Bedürfnisse ungehindert befriedigen zu können, außerdem wollte sie dem inzwischen 58-jährigen Claudius, der schon deutliche Ausfallerscheinungen zeigte, soweit wie irgend möglich aus dem Weg gehen. Vor allem aber mied sie die Freigelassenen Callistus und Pallas, die zusammen mit Narcissus die Regierungsgeschäfte führten. Nur Narcissus zählte zu Messalinas Liebhabern. Der ehemalige Sklave hatte es innerhalb weniger Jahre zu einem der reichsten Römer gebracht. Man schätzte sein Vermögen auf 400 Millionen Sesterze.
Zurück im Tablinum warf Messalina sich auf das Bett, schlug mit den Fäusten auf die Kissen und schrie in die weichen Federn: »Ihr sollt mich alle nicht mehr haben, keiner von euch soll mich mehr berühren, bevor Claudius tot ist!«
»Messalina!« Sulpicius Rufus kniete vor dem Bett der Vielgeliebten, er versuchte ihre Füße zu küssen. Doch Messalina schrie: »Verschwindet, ihr läufigen Hunde. Geht nach Hause zu euren schlaftrunkenen, langweiligen Weibern, laßt euch zwei As geben fürs Lupanar, hier will ich euch nicht mehr sehen, solange Claudius am Leben ist.«
Die fünf zogen sich wortlos zurück. Messalina stand auf, klatschte zweimal in die Hände und ging durch den Säulenhof zu dem gegenüber dem Empfangsraum liegenden Vestibül und Schlafzimmer. Dieses Cubiculum, in blaugrün gehalten, war mit feinen Mosaiken an den Wänden verziert, die eine Nillandschaft zwischen langstieligen Lotus- und Papyruspflanzen darstellten. Der Raum mit einem einzigen hohen Fenster nach Osten war klein im Vergleich zu den anderen Gemächern, und auch das Bett darin war nicht ausladend; aber Raum und Mobiliar dienten nur dem Schlaf. Den Umgang mit ihren Liebhabern pflegte Messalina in ihrem monumentalen Prunkbett, das im Empfangsraum aufgestellt war.
Auf das Klatschen der Herrin erschienen zwei Kammerfrauen und eine Friseuse. »Lycisca wünscht auszugehen«, sagte Messalina. Die Sklavinnen wußten Bescheid. Es bedeutete, Messalina, die Gemahlin des Claudius, wollte in die Hure Lycisca verkleidet werden. Manchmal geschah dies mehrmals in einer Woche, und manche Zuträger des Kaisers kassierten erhebliche Trinkgelder, wenn sie interessierten Freiern die Adresse des Bordells mitzuteilen wußten, in dem sie gerade ihrem Vergnügen nachging. Zum regulären Tarif von zwei As übrigens.
Messalina saß nackt auf einem mit mattgrüner Seide bespannten Hocker, die Kammerfrau band ihr einen schmalen Schurz um die Hüften, Taille und Brüste zwängte sie in ein rotes Capetium, eine Art Mieder, die zweite Sklavin färbte mit einem Stoffbausch Gesicht, Hals und Arme mit Kreide und Bleiweiß. Wangen, Brüste und Lippen mit roter Weinhefe, Augen und Wimpern mit schwarzer Holzkohlenasche. Die Sklavinnen hatten ihr Werk noch nicht beendet, als Rufe und Flüche vom Atrium her zu hören waren. Der Atriensis, ein Sklave für den Dienst in der Vorhalle, kam hereingestürzt und meldete, vier Gladiatoren hätten einen jungen Mann gebracht, der kaum noch auf seinen Beinen stehen könne.
»Bringt ihn her«, befahl Messalina.
Die Gladiatoren, mit Vitellius in ihrer Mitte, machten Meldung: »Wir haben Euren Auftrag ausgeführt, wie befohlen. Hier ist der junge Bononier!« Wie ein Beutestück schoben sie den Jungen vor Messalina. Vitellius war übel zugerichtet. Die Haare hingen ihm wirr ins Gesicht. Auf seiner Stirn stand der Schweiß. Die Braue über dem rechten Auge war aufgeplatzt und blutverschmiert. Und sein schlichtes Gewand zeigte deutliche Kampfspuren. Anfangs hatte er sich willenlos von den vier Männern durch die Stadt führen lassen. Aber als sie in eine Menschenansammlung gerieten, die sich um zwei laut miteinander streitende Sklaven gebildet hatte, lockerte sich der Griff des neugierig hinzutretenden Gladiators. Vitellius, der immer noch nicht wußte, was man ihm vorwarf und was man mit ihm vorhatte, riß sich los, drängte die Menschen beiseite und hetzte eine schmale Gasse entlang. Weit war er jedoch nicht gekommen. Einer der Gladiatoren riß ihn an der Schulter zurück, ein anderer schlug ihm ins Gesicht, der dritte trat ihn fluchend in den Leib. Dann hatten sie den zu Boden Gefallenen hochgerissen und weitergeschleift.
Messalina lächelte
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