Der Gladiator
im Wege«, stellte Trogus fest.
Rufus legte den Zeigefinger an die Lippen: »Da der Prinzeps hinkt und das linke Bein nachzieht, wäre das Naheliegendste, daß Claudius einen Unfall erleidet, von einer Balustrade in die Tiefe stürzt, über die Brüstung der Kaiserloge im Circus oder von einem Balkon seines Palastes auf dem Palatin.«
»Die Idee erscheint mir gut«, meinte der Senator Vergilianus. »Nur muß die Tat äußerst sorgfältig geplant sein. Überlebt Claudius das Attentat, kostet das unser aller Köpfe. Gelingt es aber, werde ich mich im Senat für Messalina einsetzen. Sie soll den offiziellen Titel Augusta erhalten und bis zur Mündigkeit ihres Sohnes Britannicus als Kaiserin das römische Reich regieren. Dem Kaiser weint kein Senator eine Träne nach. Zwischen ihm und uns bestand schon immer eine tiefe Kluft.«
»Und seine Günstlinge?« warf Proculus ein. »Wie wollen wir mit Narcissus, Pallas, Callistus und Polybios, den Stützen seiner Herrschaft, verfahren?«
»Es wäre falsch, sie meuchlings zu ermorden«, meinte Rufus. »Der Machtwechsel gewinnt legale Züge, wenn man ihnen den Prozeß macht. Hat nicht jeder von ihnen seinen Posten nur zum eigenen Vorteil genutzt? Der Vater von Narcissus schleppte noch Getreidesäcke im Hafen von Ostia. Und er, der Freigelassene, führt für den Kaiser die Regierungsgeschäfte. Sein mit List erschlichenes Amt hat ihn zu einem der reichsten Römer gemacht. Wer von euch kann wie er auf ein Vermögen von 400 Millionen Sesterzen zurückgreifen?« – Die anderen schwiegen. »Für mich steht außer Frage«, fuhr Rufus fort, »daß Narcissus und das andere Gesindel wegen ihrer Verbrechen gegen das römische Volk verurteilt werden.« Proculus deutete auf einen Mann, der, umringt von vier Sklaven, eben die Auskleidehalle betrat. »Narcissus ist überall. Es wäre besser, wenn er uns nicht zusammen sieht. Vielleicht treffen wir uns später im Dampfbad.«
Die fünf Nackten trennten sich unauffällig. Keiner von ihnen ahnte, daß Narcissus nicht zufällig erschienen war.
Narcissus ließ sich entkleiden. Die Sklaven hängten seine Gewänder wie die der übrigen Besucher in eine der zahllosen Mauernischen, die in die Wände des Apodyterions eingelassen waren. Man betrat die Thermen prinzipiell nackt, Männer wie Frauen, wenngleich die erst seit wenigen Jahren eingeführte gemischte Badeordnung bei vielen immer noch als anrüchig galt. In den Provinzen badeten deshalb Männer und Frauen zu verschiedenen Zeiten. Aber Rom war keine Provinz.
Balnea, vina, Venus – das waren die drei klassischen Freuden des Römers, was etwa soviel bedeutet wie: Badevergnügen, Wein und Weiber. Und Vergnügen machte es allemal, seine Zeit in den Thermen zu verbringen, jener Mischung aus Reinigungsanstalt, Schwimmbad, Sauna, Massagesalon, Sportplatz und Vergnügungszentrum.
An diesem sonnigen Sommermorgen wurde einiges in den Thermen des Agrippa geboten, und das nicht nur in den Dampfbaderäumen. Narcissus, ständig umschwirrt von seinen vier ebenfalls nackten Sklaven, die ihrem Herrn mit Stößen und Püffen einen Weg durch die Menge bahnten, sog das Katzbuckeln seiner nackten Umgebung genußvoll in sich auf. Zwar rührte die Beliebtheit der Thermen zu einem erheblichen Teil auch daher, daß in ihnen der Arme wie der Reiche die gleichen Freuden genießen konnte, aber ein nackter Berater des Kaisers unterschied sich von einem nackten Arbeitslosen doch erheblich: Narcissus schritt freundlich winkend durch die Menge, erwiderte Grüße und gab dem einen Sklaven Weisung, diesem und jenem ein Goldstück auszuhändigen, von denen der Sklave einige in einem Lederbeutel um den Bauch mit sich führte.
Im Frigidarium, dem nach oben offenen Kaltwasserbecken, sah er einen alten Mann, der sich an einer Ecke den Rücken scheuerte. Narcissus warf ihm eine Goldmünze zu und lachte: »Hier Alter, miete dir einen Sklaven und laß dir von ihm deinen Rücken kratzen!« Narcissus konnte nicht schwimmen. Deshalb breiteten die Sklaven im Wasser ein Tuch aus. Er legte sich darauf, und die Sklaven zogen ihn so durch das Becken. Er blinzelte in die Sonne und beobachtete mit Vergnügen die jungen Mädchen, die sich über das Becken hinweg bunte Reifen zuwarfen. Im Säulengang, der das Schwimmbecken umsäumte, diskutierten Politiker und Philosophen, Anwälte arrangierten Termine, Händler führten Verkaufsgespräche. »Sieh nach, was in der Palaistra los ist«, rief Narcissus einem Bedienten zu. Als er zurückkam,
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