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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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besänftigen. »Entweder es brennt, oder dieser Unglücksprophet verkündet anderes Unheil. Einer von uns wird seinen Geist aushauchen.«
    Auch die anderen Anwesenden im Massageraum schienen betroffen. Ein Hahnenschrei zur Mittagszeit?
    Narcissus befahl einem seiner Sklaven: »Schaffe das Federvieh herbei und schlage ihm den Kopf ab. Das soll sein letztes Unglückssignal gewesen sein.«
    Während die Masseure ihre Arbeit fortsetzten, begann Narcissus von neuem: »Was werden wir bei den Römischen Spielen zu sehen bekommen, Zwerge mit scharfen Messern, Frauen, die im Lendenschurz gegen wilde Stiere kämpfen?«
    »Du weißt doch, daß dafür der Ädil verantwortlich ist. Ich liefere nur die Gladiatoren. Mit nackten Frauen kann ich nicht aufwarten. Die kommen aus anderen Schulen.«
    »… Du sollst einen jungen Allkämpfer unter deinen Fittichen haben, erzählt man sich bei Hofe …«
    Darauf also wollte Narcissus hinaus. »Ja, ein Freier aus Bononia. Er ist gut, überaus flink und gibt zu größten Hoffnungen Anlaß; aber ich werde ihn bei den Römischen Spielen noch nicht einsetzen. Er ist noch zu neu, ihm fehlt die Erfahrung, er hat noch nie vor Publikum gekämpft.«
    In diesem Augenblick kam der Sklave mit dem toten Hahn herbei und legte das geköpfte Federvieh vor Narcissus auf den Boden. »Er wird kämpfen«, sagte Narcissus, erhob sich, schob den Masseur beiseite und wandte sich zum Gehen. »Er wird kämpfen«, sagte er noch einmal, »der Kaiser wünscht es. Und zwar gegen Pugnax.«
    Im Dampfbad warteten schon Rufus' Freunde. »Ich bin ihm geradewegs in die Arme gelaufen«, entschuldigte er sich. »Er will, daß ich meinen jüngsten Gladiator opfere. Der Kaiser wünscht ihn in der Arena zu sehen, sagt er. Offensichtlich will er Messalina eins auswischen.«
    »Und wenn du dich dem Verlangen widersetzt?« fragte Proculus.
    »Ich stehe beim Kaiser im Brot. Er ist Träger meiner Schule. Das würde mich meine Stellung kosten.«
    »Der Junge hat keine Chance?«
    »Nicht gegen einen Routinier wie Pugnax. Aber ausgerechnet gegen ihn soll er antreten.«
    Vergilianus, dem der Schweiß auf der Stirn stand, sagte: »Dein Gladiator kümmert mich wenig. Aber die Situation zeigt nur allzu deutlich, daß diese aufgeblasenen Günstlinge verschwinden müssen. Und das ist nur möglich, wenn wir den Kaiser beseitigen. Eure Hand darauf!«
    Eingehüllt von zischenden Dampfwolken legten die fünf ihre Hände aufeinander und schworen, bei ihrem gemeinsamen Vorhaben zusammenzustehen. Da jedoch noch immer keiner von ihnen bereit war, das Attentat auszuführen, beschlossen sie, einen Mörder zu dingen. Rufus, der sich schon von Berufs wegen in den Kreisen der Asozialen bewegte, versprach, ihn ausfindig zu machen. Trogus, der Leibwächter des Kaisers, wurde beauftragt, einen geeigneten Ort und Zeitpunkt für das Attentat festzulegen. Gleichzeitig sollte Proculus Messalina in die Pläne einweihen.
    »Bis die Tat ausgeführt ist«, meinte Vergilianus, »dürfen wir uns in der Öffentlichkeit nicht mehr zusammen blicken lassen. Tarquitius, mein treuester Sklave, wird als Kurier die Verbindung aufrechterhalten. Nur er soll Nachrichten überbringen …«
    Die Römischen Spiele zu Ehren des Jupiter hatten eine vierhundertjährige Tradition. Aber nicht die Verehrung ihres höchsten Gottes versetzte die Römer Anfang September in Hochstimmung, es waren vor allem die sechzehn Feiertage mit kostenlosen Fleisch- und Getreiderationen, Theatervorführungen, Tierhetzen, Gladiatorenkämpfen – alles kostenlos –, welche die Millionenstadt zwei Wochen lang in ein einziges Vergnügungszentrum verwandelten. Selbst für die Ärmsten der Armen, die Sklaven und Humiliores, ruhte die Arbeit. Es gab nur eines: Vergnügen, Vergnügen, Vergnügen.
    Für die Gladiatoren im Ludus magnus war dieses Vergnügen bitterer Ernst; denn mindestens jedem zweiten von ihnen brachte es den Tod. Vitellius wußte seit drei Tagen, daß sein erster Auftritt in der Arena bevorstand. Er hatte Angst, panische Angst, Angst, die ihm den Schlaf raubte, Angst, die ihn würgte, die ihn alles erbrechen ließ, was er aß.
    Während in der Arena der Kaserne die Cena libera stattfand, das verzweifelte Grölen betrunkener Gladiatoren und die hysterischen Lustschreie verzückter Römerinnen zu ihm heraufdrangen, lag Vitellius mit hinter dem Kopf verschränkten Armen in seiner Zelle und starrte in die Dunkelheit. Er wußte nicht, wer sein Gegner sein würde. Nur wenige Paarungen wurden

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