Der Gladiator
und zuallererst Narcissus!«
In Wirklichkeit war die Situation ernst genug. Die Spitzel und Nachrichtenzuträger des Kaisers hatten von mehreren Verschwörungen Wind bekommen. Claudius, kein Mann von schnellen Entschlüssen, hatte lange gezaudert, dann aber doch dem Drängen seiner Berater nachgegeben, als er von der Hochzeit seiner eigenen Frau erfuhr. Narcissus, sein Kabinett-Sekretär und engster Vertrauter, hatte ihm klarzumachen versucht, daß seine Tage als Kaiser gezählt wären, wenn er jetzt nicht gegen Messalina vorginge.
Als sei sie eben aus einem Traum erwacht, eilte Messalina zu Fuß ihrem Gemahl entgegen. Der preschte auf seinem Prunkwagen, umgeben von seinen Beratern, einher, Schaum vor dem Mund, wie immer, wenn er erregt war. Claudius hatte Angst vor der Konfrontation mit Messalina. »Welche Missetat!« – »Welch ein Frevel!« flüsterten ihm seine Berater während der Fahrt ins Ohr. »Du mußt Rache nehmen!« – »Wie weit soll sie es denn noch treiben?«
Claudius suchte nach Entschuldigungen für seine Gemahlin. Schließlich war sie die Mutter seiner Kinder Octavia und Britannicus. Was er denn tun solle. Narcissus zog eine Schriftrolle aus seinem Gewand; engbeschrieben waren hier alle Ehebrüche Messalinas verzeichnet. Da tauchte Messalina, die noch immer ihre golddurchwirkte Hochzeitsfrisur trug, am Straßenrand auf.
Flehend hielt sie ihre Arme dem Kaiser entgegen; doch der würdigte seine Gemahlin keines Blickes und fuhr geradewegs zu seinem Palast auf dem Palatin. Die Leibgarde des Kaisers umstellte indes das Stadtpalais Messalinas und nahm alle Anwesenden fest.
»Sulpicius Rufus ist verhaftet!« Ein Bote stürzte in den Hof der Gladiatorenkaserne. Die Kämpfer unterbrachen das morgendliche Training und umringten den Sklaven. »Er soll mit Messalina eine Verschwörung gegen den Kaiser angezettelt haben. Calpurnianus, der Feuerwehrhauptmann, gehört ebenfalls dazu, der Senator Vergilianus, Messalinas Ehrenwächter Proculus und ein gewisser Trogus aus der Leibwache des Kaisers.«
»Allesamt ehrenwerte Männer«, knurrte Pugnax und spuckte in den Sand. Er hielt sich die Schulter, die mit einer weißen Binde eingewickelt war. Dann trat er an Vitellius heran, packte ihn am Oberarm, daß es schmerzte, und fragte mit hinterhältigem Grinsen: »Bist du nicht auch einer von denen?«
Vitellius fühlte alle Augen auf sich gerichtet: »Klar«, sagte Pugnax und blickte in die Runde, »er gehört auch zu dem verräterischen Haufen. Warum glaubt ihr, hat Messalina ihn begnadigt? Weil er so tapfer gekämpft hat? – Nein. Er steckt mit den Verschwörern unter einer Decke. Vermutlich hat er zusammen mit Rufus auch hier im Ludus sein abscheuliches Werk vorbereitet.«
Vitellius sprang auf. »Ich bin kein Verschwörer«, rief er. »Ich stamme aus Bononia und kenne die römischen Verhältnisse nur aus der Ferne.«
»Lügner«, unterbrach ihn Pugnax, »wer war es, der dich hier in den Ludus brachte? Kamst du nicht in Begleitung von Rufus und Messalina?«
»Ja, das stimmt«, sagte Vitellius, »aber ich bin den beiden nur zufällig begegnet …«
»Zufällig! Zufällig!« Die Umstehenden lachten, und Pugnax spottete: »Man erzählt sich, du seiest sogar von der Kaiserin empfangen worden, und was das bedeutet, weiß man!«
Vitellius schoß das Blut in den Kopf. Er schluckte. Wie sollte er sich verteidigen? Sollte er erzählen, daß sie ihn zornentbrannt weggeschickt hatte. Es hätte ihm doch niemand geglaubt. Also schwieg er.
Pugnax aber bohrte weiter: »Du dachtest wohl, ein Gladiator erwirbt den Ruhm der Unsterblichkeit im Bett, am besten in dem der Frau des Kaisers.« Die anderen feixten. »Hier«, rief Pugnax, »hier, im Sand der Arena legst du den Grundstock für deine Unsterblichkeit, an keinem anderen Ort. Oder hältst du dich bereits für einen unsterblichen Gladiator? Ein Traumtänzer bist du, im besten Fall fähig, eine Weiberrolle im Theater zu übernehmen. Ich fiebere dem nächsten Auftritt im Circus entgegen, dann werde ich dir diese Wunde heimzahlen. Noch ehe irgend jemand den Daumen zur Begnadigung erheben kann, wirst du von Pluto Einlaß in die Unterwelt begehren.«
Vitellius spürte die Feindseligkeit im Blick jedes einzelnen. Er rannte in seine Zelle und warf sich auf seine Pritsche. Er hatte Angst vor dem, was jetzt auf ihn zukam.
Heiße Tränen rannen über sein Gesicht. Vor seinen Augen tauchte Rebecca auf, dieses zierliche, liebenswerte Geschöpf. Er hörte ihre zärtlichen
Weitere Kostenlose Bücher