Der Gladiator
nackte Frau, Messalina. Gleichzeitig schritt, ebenfalls unbekleidet, von der gegenüberliegenden Seite kommend, Gaius Silius auf Messalina zu. Messalina hatte Goldfäden in ihre turmhoch aufgebauten Röhrenlocken gewoben, die jetzt wie die Tentakel eines Oktopus herabhingen. Silius war efeubekränzt.
Die beiden trafen sich im begrünten Innenteil des Säulenhofes. Dieses Viridarium duftete betörend von allerlei exotischen Pflanzen. Zwischen weißen Lilien und gelbblühendem ägyptischen Hibiskus legten die Sklaven die nackte Kaiserin ins Gras. Silius trat hinzu, Messalina öffnete die Schenkel, und die beiden begannen sich vor aller Augen zu lieben.
Gleichzeitig traten hinter den Säulen des Peristyls aufregend an- oder ausgezogene Frauen hervor und boten sich und ihre Dienste den gaffenden Männern an. Einige lehnten dankend ab, andere jedoch ließen sich nicht lange bitten, und manche winkten gleich zwei der Damen herbei und gaben sich dem doppelten Vergnügen hin. Ein paar junge Sklaven, die den Wein reichten, konnten sich unverhüllter Angebote kaum erwehren.
Senatoren, Kaufleute und Staatsbeamte ließen sich durch die Gunstbezeugungen der reizenden Asellae nicht daran hindern, über ein paar stöhnende Mitbrüder hinweg, Politik oder Geschäfte zu machen.
»Sie ist«, sagte Vergilianus zu einem Kollegen, »einfach eine außergewöhnliche Frau. Sogar bei ihrer Vermählung läßt sie uns an ihrer Lust teilhaben.«
Der Angesprochene, gerade mit den porzellanhaften Brüsten einer zierlichen Gazelle beschäftigt, sagte ohne aufzublicken: »Ich glaube, wir werden bald einen schöneren und jüngeren Kaiser als Claudius haben.«
»Das wissen die Götter«, antwortete Vergilianus und blickte sich um, ob jemand ihr Gespräch belauschte. Und mit gequälter Stimme fragte er: »Wie hoch schätzt du die Anhängerschaft des Kaisers im Senat?«
Der andere Senator erschrak. »Du weißt mehr, Vergilianus?« Und als dieser nicht antwortete, fuhr er fort: »Ich glaube, es sind weniger als hundert, die ihm noch die Treue halten. In Rom und im ganzen Reich wird der Wunsch nach einem starken Arm immer lauter. Aber laßt uns nicht von alten häßlichen Greisen reden, beschäftigen wir uns lieber mit jungen schönen Frauen …«
Über die sich am Boden wälzenden Leiber, in der Linken einen Weinkelch, an der Rechten einen jungen Sklaven, suchte sich Cäsonius einen Weg. »O Roma und Venus«, rief er in einem fort, »warum laßt ihr zu, daß ehrenwerte Männer sich so vergessen.« Und an den Sklaven gewandt: »Versprich mir, daß du nie mit Frauen solch garstige Dinge tust!« Dann küßte er ihn auf die nackte Schulter. »Du kleines, süßes Vögelchen.«
Ein Mann namens Valens bahnte sich einen Weg durch das wollüstige Treiben, bestieg im Peristyl einen Marmorsockel, klatschte in die Hände und rief: »Freunde, von Ostia her naht ein schweres Unwetter!«
Die meisten waren derart mit ihren Vergnügungen beschäftigt, daß sie die Warnung gar nicht hörten. Und jene, die sie hörten, verstanden sie nicht. Das Unwetter, von dem Valens sprach, nahte in Gestalt des Kaisers und seiner Berater. Eine Prätorianerkohorte bildete die Vorhut. Das versprach nichts Gutes.
Valens sah die Nutzlosigkeit seines dezenten Vorgehens ein; er kletterte von seinem Marmorsockel, eilte zu der in schrillen Tönen agierenden Musikkapelle. Auf ein Zeichen brach sie ab; die Gäste hielten erschreckt inne. So laut er konnte, rief Valens durch die trichterförmig vor den Mund gehaltenen Hände: »Freunde, der Kaiser naht mit einer Kohorte seiner Leibgarde!«
Einen Augenblick war es still. Dann, als den meisten Gästen die Tragweite der Mitteilung zu Bewußtsein kam, verwandelte sich die Stille in ein unbeschreibliches Chaos. Hektisch suchten die Teilnehmer der Hochzeitsorgie nach ihren Kleidern, andere strebten halbbekleidet dem Ausgang zu. Die willigen Mädchen zogen sich, unauffällig wie sie gekommen waren, zurück. Silius rief nach seinem Kammersklaven und forderte seine Kleider. Messalina saß nackt und zu Tode erschrocken im Gras.
Die Meinung unter den Anwesenden, was in dieser Situation zu tun sei, war geteilt. Einige flohen Hals über Kopf. Die anderen sahen keinen Grund zur Flucht. Zu ihnen gehörte Sulpicius Rufus. »Warum fliehen«, meinte er zu Calpurnianus, »nur, weil wir mit der Kaiserin das Bett geteilt haben?«
»Du hast recht«, entgegnete dieser und versuchte sich Mut zu machen, »dann müßten auch die Berater des Kaisers fliehen,
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