Der Gladiator
aus dem Lupanar.«
»Der Kaiser scheint Rundungen über alles zu lieben«, bemerkte Vitellius, »sein Circus auf dem Marsfeld weist auch an jenen Stellen Rundungen und Bögen auf, wo gerade Mauern den gleichen Zweck erfüllt hätten.«
»Ich sollte ihm Mariamne schicken«, lachte Pheroras, »ich glaube, sie wäre genau der Typ Frau, den unser Kaiserlein zu schätzen weiß.«
Vitellius betrachtete Mariamne, die ihm gegenüberlag und die Bemerkung ihres Gemahls ohne jede Regung über sich ergehen ließ, mit Wohlgefallen. Ihre feuerroten Lippen saugten an einer prallen blauen Traube. Mit den Augen betastete Vitellius diesen ausladenden Körper, den er schon so gut kannte, streifte die Tunika von ihren Schultern und vergrub sein Gesicht zwischen den wogenden Brüsten, er fühlte sich wohl.
Pheroras' Stimme holte ihn jäh in die Wirklichkeit zurück. »Man hat mir berichtet, daß dein Haus ständig von Frauen und Mädchen umlagert ist!«
Vitellius lächelte verlegen, nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher und schwieg.
»Sie wollen wohl alle den Mann sehen, für den die Vestapriesterin Tullia in den Tod gegangen ist«, fuhr Pheroras fort.
»Schweige, Pheroras«, unterbrach ihn Mariamne, »du weißt, wie sehr Vitellius darunter gelitten hat. Mußt du die alten Wunden wieder aufreißen?«
»Ich wollte dir nicht weh tun, Vitellius, aber ich bin ein Mann der Geschäfte. Das Drama mit der Vestapriesterin, so bedauerlich es war, hat deinen Marktwert nur erhöht. Ein Gladiator, auf dessen Sieg die Männer Wetten abschließen, ist zweifellos ein guter Gladiator; aber ein noch besserer Gladiator ist jener, der nachts den Frauen im Traum erscheint. Deshalb mußt du deinen Priapus ebenso geschickt führen wie dein Schwert. Willst du ein Idol der Massen werden, so brauchst du nicht nur Siege in der Arena, du benötigst auch Siege im Bett. Und merke dir eines: Verliebe dich nie in eine Frau, mit der du schläfst, denn das ist der Anfang vom Ende. Liebe bedeutet Abhängigkeit. Ein Gladiator muß frei sein. Die Frau eines reichen Senators muß ebenso das Gefühl haben, dich haben zu können, wie eine arme Freigelassene. Also gib den Weibern, was sie haben wollen, gib's ihnen richtig und wirf sie raus.«
Mariamne sprang auf. »Scheusal!« sagte sie wütend und verließ empört den Raum, ihre Tochter Tertulla folgte ihr.
Pheroras zeigte mit dem Daumen über die Schulter: »Sie hat eine erwachsene Tochter, aber ein Gemüt wie eine Zehnjährige. Für sie ist Venus immer noch die Göttin der reinen Liebe, für mich ist Venus die Göttin des Handels von Gefühlen. Alles ist ein Geschäft, und die Liebe ist das älteste. Oder bist du anderer Ansicht?«
Ja, hätte Vitellius am liebsten gesagt, ja, ich bin anderer Ansicht, ich habe ein Mädchen geliebt, so schön wie eine Blume, man hat es davongejagt wie einen Hund – nur, weil es einem anderen Volk angehörte. Aber Vitellius hatte nicht den Mut, seinem Mentor zu widersprechen; also sagte er: »Nein, gewiß ist es so, wie Ihr sagt!«
»Was du brauchst, ist eine Affäre mit einer schönen Frau«, fuhr Pheroras fort, »ein Verhältnis, über das sich die Römer das Maul zerreißen.«
Vitellius schluckte. Er sah Pheroras wortlos an.
»Ich werde nach deinem Auftritt im Circus des Nero ein Fest geben und die schönsten Frauen Roms dazu einladen. Einem Mann zu begegnen, der einen Löwen getötet hat, wird die Weiber in Ekstase versetzen. Du hast nichts zu tun als zu lächeln. Alles andere kannst du getrost mir überlassen.«
»Patres …« Der Konsul Gaius Vipstanus versuchte mühsam sich Gehör zu verschaffen. »Patres conscripti!« begann er von neuem, aber der Tumult in der Kurie übertönte seine schwächliche Stimme. Vom Forum herein drang das aufgeregte Geschrei der Massen, die sich trotz eines heftigen Frühjahrsgewitters zusammenfanden. Wieder und wieder hallte ein Name über die marmorne Pracht des Marktplatzes: »Agrippina.«
»Patres conscripti!« wiederholte der Konsul, klatschte in die Hände und rief in den Senat: »Zum Tode Agrippinas sendet uns der Prinzeps ein Schreiben folgenden Inhalts: ›Nero Claudius Caesar Augustus an Senat und Volk von Rom. Ich, Nero Claudius Caesar Augustus, gebe hiermit den Tod meiner Mutter Agrippina bekannt. Agrippina setzte am gestrigen Abend ihrem Leben freiwillig ein Ende, nachdem ein von ihr inszenierter Anschlag auf mein Leben fehlgeschlagen war. Agerinus, Vertrauter und Freigelassener Agrippinas, wurde mit dem Schwert in der
Weitere Kostenlose Bücher