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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Hand ertappt, als er gegen mich vorging. Agrippina hatte gehofft, Mitregentin zu werden und die Prätorianerkohorten den Treueeid auf sich schwören zu lassen. Die gleiche Schmach war auch dem Senat und dem Volk zugedacht. Aber diese ihre Hoffnung wurde vereitelt, und Agrippina lehnte aus Wut gegen die Soldaten, den Senat und das Volk die üblichen Geschenke und Spenden ab und versuchte erlauchte Männer in Gefahren zu stürzen. Was hat es mich für Mühe gekostet, daß sie nicht in die Kurie eindrang und fremden Gesandtschaften Bescheide erteilte. Erinnert euch an die Schändlichkeiten unter meinem Vorgänger Claudius, auch sie sind nur auf Agrippina zurückzuführen. Daher glaube ich, Nero Claudius Caesar Augustus, daß Agrippinas Tod ein Glück für den Staat ist.‹«
    »Recht so!« riefen die Senatoren, »recht so!«
    »Dankgebete in allen Tempeln, daß diese Katastrophe vom Staat abgewendet worden ist.«
    »Der Geburtstag Agrippinas soll unter die Unglückstage gerechnet werden!«
    »Das Minervafest, an dem die Absichten Agrippinas entdeckt wurden, soll alljährlich durch Spiele gefeiert werden!«
    Und der Senator Ollius, der bei keiner Diskussion fehlen durfte, forderte, in der Kurie solle ein goldenes Standbild der Minerva und eine Statue Neros aufgestellt werden.
    Obwohl wilde Gerüchte kursierten, Agrippina habe in Wirklichkeit Schiffbruch erlitten, sei ertrunken, und andere davon sprachen, Nero habe seine Mutter ermordet, erhielten alle Anträge die Zustimmung des Senats. Damit war die Stellung des Kaisers gefestigter als je zuvor, und die Römer konnten sich wieder ihrer Lieblingsbeschäftigung hingeben, den Spielen.
    Das Marsfeld außerhalb der Stadt glich einem Ameisenhaufen. Ganz Rom war auf den Beinen, mit Spannung erwarteten die vergnügungssüchtigen Römer, was der junge Kaiser zu bieten habe. Denn ein Kaiser wurde nicht mehr nach seinen Taten auf dem Schlachtfeld gemessen, sondern nach seinen Veranstaltungen in der Arena.
    Der Circus, den Nero in nur einjähriger Bauzeit unter unvorstellbarem Aufwand an Sklaven aus dem Boden stampfen ließ, maß 590 Meter in der Länge, 100 Meter in der Breite und bot 100.000 Zuschauern Platz. An beiden Seiten des an der Schmalseite gelegenen, nach außen gewölbten Haupteinganges ragten Türme in den Himmel. Eine fünf Meter hohe Quadriga, die in purem Gold Nero als Lenker eines Viergespanns darstellte, thronte über dem Haupteingang. Und der goldgelbe Sand der Arena stand in geschmackvollem Kontrast zu den dunklen Holzgalerien, die über dem ersten Rang die Steintribünen ablösten. Ein aus Ägypten herbeigeschaffter, eineinhalb Jahrtausende alter Obelisk, hoch wie der Himmel, zierte die Spina, den länglichen Mittelbau des Circus. Er teilte die Arena in zwei Bahnen, so daß Wagenrennen abgehalten werden konnten, diente aber auch als erhöhte Bühne für Vorführungen besonderer Art.
    Von den obersten Zinnen des gewaltigen Bauwerkes erschallten Posaunensignale. Der Kaiser erschien auf der Ehrentribüne. Das Volk in und außerhalb der Arena – Hunderttausende hatten keinen Platz mehr gefunden – schrie ekstatisch. Die Spiele nahmen ihren Anfang.
    Im Rhythmus der Musik marschierten sechs Herolde ein. Feuerrot leuchteten ihre weiten Umhänge und die schwankenden Helmbusche auf dem gelben Sand. Ernst, beinahe feierlich trugen sie goldene Schalen vor sich her, in denen weiße Kugeln lagen. Die Römer auf den Rängen streckten ihnen die Arme entgegen, als wollten sie nach ihnen greifen. Da warf der Mittlere eines der Missilia, so wurden die Kugeln genannt, hoch in die Ränge, jetzt schleuderten auch die anderen Herolde ihre Kugeln in die Menge. In Sekunden verwandelte sich das Stadion in einen Hexenkessel. Jeder wollte eine Kugel erhaschen, Menschen wurden über die Tribüne gestoßen, geprügelt, zertrampelt. Wer eines der Missilia gefangen hatte, hielt es mit beiden Händen umschlossen oder steckte es in den Mund, damit es ihm nicht wieder entrissen werden konnte. Neidische Blicke richteten sich auf den Glücklichen; denn die Kugeln enthielten einen Losgewinn.
    »Was ist es?« – »Bist du nun reich?« – »Denk daran, daß ich dein Freund war – auch in schlechten Zeiten!« – »Öffne deine Loskugel!« – »Wir wollen an deinem Glück teilhaben!«
    Vorsichtig holte der Beneidete die Loskugel mit Daumen und Zeigefinger aus dem Mund, nestelte das Papyrus-Röllchen aus der Kugel und hielt es seinem lesekundigen Nachbarn hin. Der las: »Gratulatio. Dein

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