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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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pythischen Apollon, der ihnen die Zukunft richtig gedeutet hat!« Aristophanes zeigte auf kleine, tempelartige Gebäude: »Das sind die Schatzhäuser der verschiedenen Völkerschaften, angefüllt mit Gold und allerlei Kostbarkeiten. Hier zur Linken das Schatzhaus von Tarent, dahinter das von Sikyon, dort drüben das der Siphonier, dort die Schatzkammer der Thebaner, hier der Bewohner von Syrakus, da die Schatzhäuser der Athener und Korinther, alle bis unter die Decke angefüllt mit Kostbarkeiten!«
    »Und dies zum Dank für jene Vorhersagen, die in Erfüllung gingen?«
    »Gewiß!« antwortete Aristophanes. »Glaube mir, du befindest dich hier in bester Gesellschaft. Die meisten Klienten kommen aus Rom, vom einfachen Händler bis zu den Mitgliedern des Kaiserhauses. Kaiser und Könige sind seit altersher die häufigsten und freigebigsten Klienten der Pythia. Der Lyderkönig Krösus tat keinen Schritt, ohne das Orakel von Delphi vorher um Rat zu fragen. Er stellte der Pythia sogar eine Falle und schickte sieben Delegationen mit ein und derselben Frage zu sieben verschiedenen Orakelstätten. Er erhielt auch sieben verschiedene Antworten, aber nur eine war richtig – die Antwort aus Delphi. Daraufhin überhäufte Krösus die Orakelstätte mit Gold und Geschenken.«
    Staunend sagte Vitellius: »Möge Apollon auch mir gewogen sein.«
    Auf einem Altar vor dem Tempel prasselte ein Feuer und verbreitete übelriechenden Qualm. Aristophanes erklärte dem Römer: »Ein Opfertier wird verbrannt, das Orakel ist eröffnet.«
    Tempeldiener hielten die drängenden, lärmenden Menschen in Schranken. Ein Medaillon, das ihn als Einheimischen auswies, verschaffte Aristophanes und Vitellius Vortritt in die erste Reihe. »Ohne Promanteia, dem Vorrecht für die Weissagung, hast du heute überhaupt keine Chance mehr«, erklärte der Grieche.
    Ein uralter Orakelpriester in weißem Gewand ging die Reihe der Wartenden entlang. Er trug ein Silbertablett mit Honigkuchen. Jeder Klient erwarb einen Honigkuchen als Opfergabe und zahlte einen ihm angemessen erscheinenden Preis. Die meisten gaben eine Drachme. Auch Vitellius legte die Münze auf das Tablett. Gleichzeitig nahm der Orakelpriester das Täfelchen mit der Frage in Empfang. Danach ließen sich Aristophanes und Vitellius auf der obersten Stufe des Tempels nieder. In den weißen Marmor waren Spielfelder geritzt, eine Art Mühlespiel. Der Grieche, der nicht zum erstenmal hier war, zog ein Säckchen Mühlesteine hervor und bot dem Römer die Wahl der Farbe an.
    »Nur die Götter wissen, wie lange wir warten müssen«, meinte er, »es kann Stunden dauern.«
    Vitellius nickte verständnisvoll. Es fiel ihm schwer, sich auf das Spiel zu konzentrieren. Die spannungsgeladene Atmosphäre, das Lärmen der nachdrängenden Menschen, die an diesem Tag ohnehin keine Chance mehr hatten, all das erregte ihn sehr. »Du mußt nicht auf mich warten«, sagte Vitellius, »ich weiß mir auch allein zu helfen.«
    Aristophanes winkte ab: »Ich bin dein Proxenos. Jeder Orakelsuchende muß von einem Proxenos begleitet sein! Ich werde den Schicksalsgöttinnen opfern, während du im Adyton auf einen Orakelspruch wartest.«
    Ehrfürchtig wanderten Vitellius' Augen in der Vorhalle des Tempels an den hohen dorischen Säulen empor. Über dem Portal leuchteten griechische Buchstaben aus purem Gold. »Was bedeutet die Inschrift?« fragte der Römer. »Erkenne dich selbst!« antwortete der Grieche und wies den Fremdling zugleich auf die Inschriften zu beiden Seiten des Portals hin. »Das«, erklärte Aristophanes, »sind Widmungen der sieben weisesten Männer der Welt. Sie alle haben nach dem Besuch des Orakels einen bedeutenden Satz gesagt.«
    »Und wer sind die weisesten Männer der Weltgeschichte?«
    »Thales von Milet, Bias von Priene, Pittakos von Mytilene, Kleobulos aus Lindos, Solon aus Athen, Chilon aus Sparta und Periandros aus Korinth.«
    »Allesamt Griechen«, stellte Vitellius fest.
    »Allesamt Griechen«, wiederholte Aristophanes, »ihr Römer habt uns Griechen zwar unterjocht, weil ihr das Schwert besser handhabt als wir, doch in den Künsten und der Wissenschaft seid ihr uns nach wie vor unterlegen.«
    Vitellius lächelte. Als er endlich an der Reihe war, wurde er zusammen mit Aristophanes in das Tempelinnere geleitet. Der Priester ermahnte den Klienten, nur reinen Gedanken nachzugehen. Der Proxenos trat an den Altar, nahm eines der von dem Priester dargebotenen Fleischstücke und legte es auf das Opferfeuer.

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