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Der Gladiator

Der Gladiator

Titel: Der Gladiator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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Beißender Qualm entwich durch die helle Öffnung im Giebel des Tempels, sonst war es dunkel und beklemmend. Fromme Gebete wurden in den Ecken gemurmelt. Wer sie sprach und wem sie galten, war nicht erkennbar.
    Das geheimnisumwitterte Adyton, der Schauplatz der Weissagung, lag in der Mitte des Tempels. Ein paar Stufen führten in eine enge Zelle hinab, die durch einen Vorhang abgetrennt war. Dahinter saß die Pythia in Trance. Der Priester geleitete Vitellius bis vor die Treppe und bedeutete ihm stehenzubleiben. Vitellius sah sich hilfesuchend nach seinem Proxenos um. Aber noch ehe er ihm einen Wink geben konnte, hörte er hinter dem Vorhang die gequälte Stimme der Pythia. Dumpf, hohl, unheimlich klagend klang diese Stimme. Sie sprach griechisch, und Vitellius verstand kein einziges Wort. Doch der Priester schrieb die Antwort auf die Rückseite des Täfelchens, das der Römer zuvor abgegeben hatte. Er reichte es Aristophanes. Der sah Vitellius mit ernster Miene an, dann übersetzte er:
    »Nie hat betreten das Mädchen den Boden Achaias. Jahre werden vergehen, bis eure Wege sich kreuzen. Dann aber wird es kein Freudentag sein; denn die Geliebte wird vor dir stehen, und du wirst sie nicht mehr erkennen.«
    Vitellius nahm das Täfelchen mit den für ihn unleserlichen Schriftzeichen in die Hand, mühsam versuchte er, sich mit den Konsequenzen des Orakelspruchs vertraut zu machen. Während der Priester sie bereits wieder nach draußen drängte, wurde Vitellius die Tragweite des Orakels schmerzlich bewußt. Rebecca war für ihn für immer verloren. Er würde ihr zwar noch einmal im Leben begegnen, aber sie würde sich so verändert haben, daß er sie nicht mehr erkennen würde.
    Auf einmal hatte Vitellius tausend Fragen. Er wandte sich um, wollte zurück in den Tempel, rief nach dem Priester; doch mit lautem Krachen fiel die schwere Tür ins Schloß. Er war wie geblendet vom Sonnenlicht, und das weite Tal mit den unzähligen silbernen Ölbäumen verschwamm vor ihm wie ein Spiegelbild im Wasser. Tränen standen in seinen Augen.

K APITEL 10
    L angt nur kräftig zu, eßt und trinkt, bis euch die Bäuche platzen. Wir gehen ohnehin schlechten Zeiten entgegen!« Mit derlei Reden animierte Pheroras seine Gäste, es sich gutgehen zu lassen. Einmal im Jahr bat der reiche Geldverleiher seine prominentesten Schuldner zu einem Gelage in sein Landhaus. Da lagen sie nun herum, vom Wein berauscht, rülpsend und grölend, höchste Beamte des Staates, angesehene Senatoren; und kein Mensch hätte sich gewundert, wenn vorn auf dem Ehrenplatz der Kaiser gesessen hätte. Schulden gehörten zum guten Ton; wer keine hatte, galt als einfältig. Den Geldverleihern, von denen Pheroras der mit Abstand wohlhabendste war, verlieh dies einen enormen Einfluß. Umgekehrt begaben sich Kreditnehmer zunehmend in Abhängigkeit.
    Als das Gelage seinen Höhepunkt erreicht hatte und viele Schuldner bereits mit schweren Köpfen herumhingen, nahm Pheroras das Wort. Er hatte Mühe, sich Gehör zu verschaffen. »Römer, meine Kinder!« rief er immer wieder, »hört, was ich euch zu sagen habe. Es ist mir eine Freude, so viele illustre Männer um mich zu scharen und euch alle meine Geschäftsfreunde nennen zu dürfen. Wie ihr wißt, hat Rom schon bessere Tage erlebt. Die Feldzüge gegen Britannien, Germanien und Armenien fordern ihren Tribut. Unsere Versorgungslage ist nicht die beste – auch wenn der Kaiser glaubt, feuchtes Getreide in den Tiber kippen lassen zu können, statt es an die Armen zu verteilen.«
    »Nieder mit Nero, dem Rotschopf!« grölte ein Betrunkener dazwischen.
    »Es wird«, fuhr Pheroras fort, »daher auch für mich immer schwieriger, die nötigen Geldmittel aufzutreiben. Damit aber auch andere in den Genuß eines Kredites von Pheroras kommen, muß ich euch, die ihr hier versammelt seid, bitten, in diesem und in den folgenden Jahren jeweils den zehnten Teil eurer Schulden an mich zurückzuzahlen …«
    Weitere Worte des Bankiers wurden von wildem Geschrei übertönt. »Halsabschneider!«, »Wucherer!«, »Verbrecher!« schallte es Pheroras entgegen. Einige ballten drohend die Fäuste, während andere in ihrer Weinseligkeit dahindämmerten.
    Es dauerte eine Weile, bis die erhitzten Gemüter sich beruhigt hatten, doch dann kam es noch schlimmer. Pheroras fuhr fort: »Dies, meine Kinder, ist doch nur zu euer aller Vorteil. Geld wird nämlich immer teurer, und auch ich muß meinen Zins hinaufsetzen. Wer bisher den Zehnten zahlte, muß in

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