Der gläserne Drache Band II (German Edition)
von Torgard bald in Tanis‘ Hände legen und nur noch als Berater fungieren zu können.
Wer also war sein unbekannter Feind? Tanis zerbrach sich den Kopf, wen er beleidigt haben könnte, dessen Einfluss beim König ein derartiges Gewicht hatte.
In Gedanken ließ er seine Zeit in Torgard von Anfang an sich vorbeiziehen. Und mit einmal schoss die Erkenntnis siedend heiß durch seinen Körper:
Alle, alle hatte er beleidigt! Es gab am Hof von Torgard nur wenige Menschen, die er nicht schlecht und anmaßend behandelt hatte, angefangen vom geringsten Küchenmädchen bis hinauf zu Gondar selbst! Sogar den gütigen Regenten hatte er mit der dreisten Missachtung seiner Befehle gegen sich aufgebracht.
Selbst Tanis und Malux, die es stets nur gut mit ihm gemeint und ihn oft genug gewarnt hatten, hatte er sich zu Feinden gemacht.
Er erschrak vor sich selbst . Die Gier nach Macht, die er bei Romando so verabscheut hatte und die die Wurzel allen Übels war, das Tanis und ihm seit ihrer Geburt widerfahren war, hatte nun auch von ihm Besitz ergriffen.
Er erinnerte sich der Worte seines Bruders bei ihrer Ankunft in Torgard, als er die Dienstleute des Gasthofs mit barschen Worten herumkommandiert hatte: Du benimmst dich schon genau wie Romando!
Wie Recht Tanis hatte! In Wigos Wangen stieg tiefe Schamesröte. Was unterschied ihn denn noch von dem Schurken Romando?
Das einzige war, dass er sich nicht der schwarzen Magie bediente wie dieser, aber dann fiel ihm voll Schrecken ein, dass er sogar das bereits versucht hatte. Hätte Gondar sein Vorhaben nicht geahnt und verhindert, wäre er Romandos Beispiel gefolgt und hätte seine Ritterwürde genau wie dieser nur durch Betrug errungen.
Völlig vernichtet sank Wigo in seinem Zimmer in einen Sessel. Was sollte er nun tun? Er konnte sich nicht einmal für sein Verhalten entschuldigen, denn jeder würde denken, dass er dies nur tat, um Mendor zu einer Rücknahme seiner Entscheidung zu bringen . Niemand würde ihm glauben, dass er es wirklich ehrlich meinte.
Was Wigo am meisten bedrückte, war die Tatsache, dass er nicht einmal den geliebten Bruder würde zurückgewinnen können, denn sogar Tanis würde ihm misstrauen.
Da fiel ihm Tamira ein. Da sie seine Ablehnung überwunden hatte, würde sie ihm am neutralsten gegenüberstehen. Wenn sie eine Gedankenverbindung gestattete und er sich ihr rückhaltlos öffnete, würde sie die Ernsthaftigkeit seiner Reue erkennen.
Vielleicht gelang es ihr dann, die anderen von seiner Bitte um Vergebung zu überzeugen.
Das Bild der schönen jungen Frau stieg vor seinem geistigen Auge auf, und er begann sich zu fragen, ob die Gefühle, die er ihr entgegenbrachte, wirklich nur Freundschaft waren. Hatte es ihm nicht mehr als einmal einen Stich versetzt, wenn er sah, wie sie Amaro anschaute und wie vertraut ihr Umgang mit ihm war?
Er gestand sich ein, dass er auf Malux‘ Sohn eifersüchtig war, nicht nur, weil dieser ihn beim Turnier übertroffen hatte, sondern auch, weil Amaro anscheinend Tamiras Liebe gewonnen hatte, die er selbst in seiner Angst vor dem Verlust seiner Unabhängigkeit verspielt hatte. Und er erkannte, dass er sich auch hier selbst getäuscht hatte. Tamira bedeutete ihm mehr, als er sich hatte eingestehen wollen.
Diese Erkenntnis ließ ihn jedoch von einer Gedankenverbindung mit Tamira abstehen. Wenn er sich ihr völlig öffnete, würde sie nicht nur sein tiefes Bedauern über seine Fehler erkennen, er würde auch seine Liebe zu ihr nicht mehr verbergen können.
Aber in diesen Zwiespalt wollte er Tamira nicht stürzen. Er wollte nicht noch mehr Unheil anrichten, indem er sie vielleicht dazu brachte, ihre aufkeimenden Gefühle für Amaro in Frage zu stellen.
Ernüchtert kam er zu dem Schluss, dass er nichts, aber auch gar nichts tun konnte, um sein Verhältnis zu seinem Bruder und den Freunden wieder zu verbessern.
Vielleicht würden die Zeit und sein verändertes Verhalten irgendwann wieder einen normalen Umgang ermöglichen. Bis dahin konnte er nur versuchen, durch ein tadelloses Verhalten zu beweisen, dass er zur Einsicht gekommen war.
Seufzend erhob sich Wigo, um sich für die abendliche Abschlussfeier fertig zu machen.
*****
In den folgenden zwei Wochen bis zur Abreise des Königs zeigte Wigo ein mustergültiges Verhalten. In den ersten Tagen dachten alle, er beabsichtige wirklich nur, Mendor von seinem Entschluss abzubringen.
Doch dann bemerkten alle, die ihn näher kannten, dass
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