Der gläserne Drache Band II (German Edition)
„Ich war kurz davor, in Romandos Fußstapfen zu treten und genauso schlecht zu werden wie er.“
Aelianos schaute ihn erstaunt an, sagte aber nichts. Und dann sprudelten die Worte aus Wigo heraus. Ohne sich zu schonen, erzählte er dem aufmerksam zuhörenden Freund die ganze Geschichte.
„Alle haben mich gewarnt“, schloss er, „doch ich war taub und blind, und in meiner Verblendung war ich überzeugt, dass alle mir Unrecht taten oder nur neidisch auf mich waren.
Erst die harte Entscheidung Mendors hat mir die Augen geöffnet, und ich bin dem König dankbar, dass er mir noch eine Chance gibt, meine Verfehlungen wiedergutzumachen.
Doch ich weiß nicht, ob es mir je gelingen wird, die Zuneigung und das Vertrauen meiner Freunde wiederzuerlangen. Zu tief habe ich alle beleidigt und enttäuscht!“
„Nun, da du noch rechtzeitig eingesehen hast, dass du den falschen Weg eingeschlagen hattest, bevor etwas nicht Wiedergutzumachendes geschehen ist, und willens bist umzukehren – warum sollten die, die dich lieben, dir nicht verzeihen?“ sagte Aelianos sanft. „Meinst du nicht, dass sie viel eher geneigt sind, dir zu vergeben als der König? Da sogar Mendor bereit ist, dir eine Zeit der Bewährung zuzugestehen – wie kannst du glauben, dass die, die dir nahe stehen, das nicht tun?
Wenn es dir mit deinem Entschluss ernst ist, wird man bald merken, dass deine Wandlung echt ist und nicht nur zum Ziel hat, den König zu täuschen, um an die Herrschaft über Candrien zu gelangen. Dann wirst du auch deine Freunde wiedergewinnen.“
„Ich weiß gar nicht, ob ich noch der Fürst von Candrien werden möchte“, sagte Wigo zweifelnd. „Ich hatte auf der Reise Zeit genug, darüber nachzudenken , welche Verantwortung da auf mich zukäme.
Ich habe mittlerweile eingesehen, dass das Leben eines Landesherrn nicht nur aus Festen und Vergnügungen besteht, sondern harte Arbeit ist, die nur wenig persönliche Freiheit lässt, wenn man seine Aufgabe ernst nimmt.
Ich habe mich in all der Zeit in Torgard nicht im Mindesten darum gekümmert, was alles dazugehört, ein solches Land zur Zufriedenheit des Königs und des Volkes zu leiten, sondern bin nur meiner eigenen Kurzweil nachgejagt.
Heute weiß ich, dass ich diese r Aufgabe nicht gewachsen wäre, zumal Malux mir seinen Beistand verwehrt hat. Wer sollte mir nun raten, wer mich von falschen Entscheidungen abhalten? Auf Malux kann ich auch in zwei Jahren nicht mehr zählen, denn er wird seinen Entschluss, in Torgard bei seiner Familie zu bleiben, nicht revidieren. Ich bin ihm deswegen nicht böse, denn er hat es verdient, endlich sein persönliches Glück zu finden.“
„Zwei Jahre sind eine lange Zeit, wenn man noch so jung ist wie du“, sagte Aelianos. „Du kannst lernen, was dir dazu noch fehlt. Und auch in Candrien gibt es aufrechte Männer, die dir mit Rat und Tat zur Seite stehen werden. Auch Tanis wird noch der Führung und des Rates von Gondar bedürfen, wenn er in knapp einem halben Jahr seine Herrschaft antritt.“
„Aber Tanis war immer schon der Verantwortungsvollere und Ernsthaftere von uns beiden“, entgegnete Wigo. „Ich bin sicher, dass er Torgard ein fähiger und umsichtiger Fürst sein wird, und mit der klugen und feinfühligen Anina an seiner Seite wird es dem Land an nichts mangeln.
Aber ich habe die Gelegenheit verschmäht, mir eine gleichwertige Frau zur Gemahlin zu nehmen, weil ich leichtsinnigerweise dachte, Tamira jederzeit wieder für mich gewinnen zu können, wenn ich bereit für eine Ehe wäre.
In meinem übersteigerten Selbstwertgefühl war ich der Me inung, dass sie sowieso keinen Besseren als mich finden würde.
Doch genau das hat sich inzwischen ergeben. Ich kann ihr nicht verdenken, dass sie Amaro mir vorzieht, denn in ihm findet sie alles das, was ich ihr nicht geben konnte oder wollte.
Ihr seht, Aelianos, ich habe mich um alles gebracht, was in meinem Le ben von Wert war. Was also bleibt mir noch?“
„Nun, nun, mein junger Freund!“ tadelte Aelianos. „Du solltest nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten! Deine Worte klingen eher nach einem frustrierten alten Mann am Ende seines Lebens, als nach einem starken jungen Burschen, der gerade am Anfang seiner Schaffenskraft steht.
Hast du noch nie darüber nachgedacht, dass du – wenn du schon kein Fürst mehr werden willst – einer der großen Magier werden könntest? Du bist mit einem großen Potential natürlicher Magie gesegnet worden,
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