Der gläserne Drache
versöhnt.
„Es ist zwar in diesem Hause nicht üblich, dass Bedienstete mit an der Tafel sitzen, aber da der Herr Romando nicht da ist, um euch zu beaufsichtigen, wird es in seinem Sinne sein, dass ich das übernehme“, sagte Magritta steif.
In ihrem Herzen war sie jedoch froh, ihr Mahl nicht wie sonst allein einnehmen zu müssen. Um sich ihrer Stellung gemäß von den anderen Dienern abzugrenzen, nahm sie ihre Mahlzeiten nämlich stets in ihren Räumen ein, nicht wie die anderen in der großen Gesindeküche.
Obwohl sie Romando, der sie jedoch kaum beachtete, aus welchem Grund auch immer fast hündisch ergeben war, mochte sich wohl auch diese verschlossene, unnahbare Frau gelegentlich nach Gesellschaft sehnen. Bei allen anderen wegen ihrer unerbittlichen Strenge und Härte verhasst und gefürchtet, war sie in diesem Palast voller Menschen doch völlig allein. Da sie weder dem Adel angehörte, noch sich zur gemeinem Dienerschaft zählte, führte sie außerhalb ihrer Pflichten ein völlig isoliertes Leben.
Sie war sich auch nicht ganz im Klaren darüber, wie sie zu den Zöglingen stand, die für Romando ja offensichtlich von größter Wichtigkeit waren. Da Romando die Zwillinge wie Edelleute behandelte und erzog, obwohl Magritta wusste, dass sie von niedrigem Stand waren, war sie sich nie sicher, wie sie die jungen Leute behandeln sollte.
Romando hatte ihr zwar aufgetragen, die Zwillinge zu beaufsichtigen, aber ihr keinerlei Richtlinien für die Art dieser Aufsicht gegeben.
So nahm sie denn nun auch mit gemischten Gefühlen auf Romandos Sessel Platz.
Wigo und Tanis hatten jedoch keinesfalls aus übergroßer Sympathie für Magritta um ihre Gesellschaft gebeten, sondern verfolgten damit die Absicht, die Hausdame für weitere Abwesenheiten günstig zu stimmen. Sie wollten erreichen, dass Magritta sich nicht jedes Mal aufregte, wenn sich die Spur der jungen Leute im weitläufigen Park verlor.
So übertrafen sich die beiden jungen Männer gegenseitig in galanten Höflichkeiten für Magritta, die diese mit offensichtlichem Wohlbehagen entgegennahm.
Nach einem zweiten Glas von Romandos vorzüglichem Wein taute die Hausdame dann sichtlich auf.
„Ach Magritta, welch eine Freude e inmal ein heiteres Lächeln auf Eurem schönen Mund zu sehen!“ balzte Tanis. „Es macht Euch so viel reizvoller! Ihr solltet uns diesen Anblick öfter gönnen.
Habt ein wenig Mitleid mit uns, denn Ihr wisst ja, dass uns der Herr Romando verwehrt, das Haus und den Park zu verlassen. Wir sind jung und brauchen als Ausgleich für die harten Übungen, die er von uns verlangt, ein wenig Zerstreuung und Abwechslung, die uns nur der Park bieten kann. Daher bitten wir Euch um Eure Erlaubnis, uns weiterhin bei angenehmem Wetter dort ergehen zu dürfen.
Wie herrlich müsste es sein, die w eitläufigen Wege einmal entlangreiten zu dürfen! Wie gern würden wir das Reiten erlernen!
Im Stall des Herrn Romando stehen zehn Pferde, die viel zu wenig bewegt werden und Malux darum mit ihrem ungestümen Temperament viel Arbeit machen. So täte die Bewegung nicht nur uns, sondern auch den Pferden gut. Wollt ihr nicht ein Wort für uns einlegen? Ihr wisst, dass der Herr Romando eine hohe Meinung von Euch hat!“
„So? Sagt er das?“ In Magrittas Gesicht leuchtete stolze Freude auf.
„Ja, er erwähnt öfter, welch große Hilfe Ihr ihm seid “, log Wigo. „Aber Ihr solltet ihm nicht verraten, dass Ihr es wisst, denn Ihr kennt ihn ja. Er knausert mit seinem Lob mehr als mit seinem Geld.“
„Wie wahr! Wie wahr!“ seufzte Magritta. „Er tut immer so, als sei all meine Mühe für ihn selbstverständlich. Aber nun weiß ich, dass er es doch zu schätzen weiß, das tut gut!“
„Nun, vielleicht ist ein wenig Lob etwas, was wir alle brauchen“, sagte Anina leise. „Auch die arme Maya! Sie ist so ein liebes und fleißiges Mädchen und verrichtet ihre Arbeit gewissenhaft und flink. Wir bitten für sie, dass Ihr ihren Lohn nicht kürzt, denn davon hängt das Überleben ihrer ganzen Familie ab. Euer gutes Herz wird nicht wollen, dass die Familie in Not gerät, und ihr nützt Herrn Romando mehr, wenn sein Gesinde ihm gern dient. Er ist so reich, dass dieser geringe Betrag ihn nicht belastet, aber Euch wird es die Freude bringen, etwas Gutes getan zu haben.“
Ein leichter Anflug von Unmut zeigte sich in Magrittas Gesicht. „Hat sie sich bei euch beklagt?“ fragte sie.
„Nein, aber sie weinte“, antwortete
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