Der gläserne Drache
war von Hand zu Hand gewandert.
„Ich denke, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen, dass der Schlüssel nicht passt“, sagte Malux nun. „Mein Freund versteht sein Handwerk, und außerdem hat die Tür zu Romandos Räumen den Göttern sei Dank kein kompliziertes Schloss. Der Schlüssel ist so zurechtgefeilt, dass er das Schloss auf jeden Fall öffnen wird. Wollt ihr heute noch dort hinein?“
„Nein, heute wird es leider nicht mehr gehen“, sagte Tanis. „Es ist gleich Zeit zum Abendessen und außerdem wissen wir nicht, wann Magritta zurückkommt.“
Er erklärte Malux den Plan der Mädchen mit der Stickerei.
Malux lachte. „Da sieht man wieder, dass die allgemeine Meinung des Adels, dass Leute von niederem Stand grundsätzlich dumm sind, nicht stimmt!
Unter all den edlen Frauen an Prios‘ Hof gab es nur wenige, die unseren Mädchen hier an Klugheit gleich gekommen wären.“
Er holte eine dünne Lederschnur aus einer seiner Schubladen, zog sie durch den Ring des Schlüssels und verknotete die beiden Enden.
„Ich brauche wohl nicht zu sagen, dass ihr ihn gut verwahren sollt“, sagte er dann ernst, „denn ihr alle wisst ja nur zu gut, was davon abhängt.“ Er gab Wigo die Schnur mit dem Schlüssel. „Hänge ihn um den Hals und verberge ihn gut unter deiner Kleidung! Sollte sich die Notwendigkeit ergeben, dass du ihn abnehmen musst, leg ihn nicht irgendwohin, sondern übergib ihn deinem Bruder zur Verwahrung.
Mögen die Götter schenken, dass es euch gelingt, einen Weg zu finden, wie ihr den verfluchten Zauberer aufhalten könnt, damit er nicht noch mehr Unheil anrichten kann!“
*****
Nach dem Abendessen kamen Magritta und Maya aus der Stadt zurück. Magritta ließ sich bei den Freunden zwar nicht sehen, aber sie sandte die junge Dienerin mit dem Stoff, den Stickrahmen und dem Garn, die sie für die Mädchen gekauft hatte.
Als sie im Zimmer der Mädchen waren, schaute Maya die beiden erwartungsvoll an. Anina und Tamira zogen sie in die Arme.
„Das hast du wunderbar gemacht, Maya! Es läuft alles so, wie es geplant war“, lobte Anina. „Du hast dir deine Belohnung wirklich verdient!“
Die sonst so scheue Maya kicherte glücklich. „Als ich sah, dass Magritta so entsetzt davonstürzte, begann mir das Ganze richtig Spaß zu machen.
Und ihr hättet ihr Gesicht sehen sollen, als ich sie um das Stickzeug für euch beide bat! Ich glaube, sie konnte es gar nicht fassen, dass ihr etwas für sie tun wollt.
Aber wir werden morgen Früh nochmal in die Stadt müssen, denn Magritta konnte den richtigen Stoff für die Vorhänge nicht finden. Aber morgen soll Malux uns mit dem Wagen in die Stadt fahren, denn der lange Weg zu Fuß hat ihr wenig Vergnügen bereitet.
Sie lässt euch doch tatsächlich ausrichten, dass ihr es mir sagen sollt, wenn ihr noch irgendetwas aus der Stadt benötigt. Was ist nur in sie gefahren?“
„Das bleibt unser kleines Geheimnis!“ schmunzelte Tamira. „Sag ihr unseren Dank für ihr freundliches Angebot, aber wir haben nun alles, was wir brauchen.“
Nachdem Maya gegangen war, fielen sich die beiden Schwestern in die Arme.
„Besser konnte es gar nicht kommen!“ jubelte Tamira. „Wenn Magritta Morgen wieder so lange Zeit aus dem Haus ist, können Wigo und Tanis ja schon den Schlüssel ausprobieren. Ich möchte am liebsten sofort laufen und es ihnen erzählen!“
„Du weißt, dass es uns verboten ist, in das Zimmer der Jungen zu gehen!“ bremste Anina ihren Überschwang. „Wir wollen Magritta nicht unnötig reizen, nachdem sie sich nun anscheinend etwas beruhigt hat. Morgen beim Frühstück ist noch Zeit genug, es ihnen zu erzählen.“
*****
Am nächsten Morgen nach dem Frühstück gingen die beiden Jungen hinaus in den Park, wogegen die Mädchen sich mit ihren Stickrahmen in einer der Fensternischen niederließen. Da das Wetter etwas kühl war, schien es ganz normal, dass sich die beiden diesen hellen Platz aussuchten, um mit ihrer Arbeit zu beginnen.
Kurze Zeit später kamen Tanis und Wigo unbemerkt ins Haus zurück. Sie huschten durch die Halle in den Gang, an dessen Ende die Tür zu Romandos Räumen lag.
Wigo holte den Schlüssel unter seiner Kleidung hervor und nahm ihn vom Hals. Die Nerven der beiden jungen Männer waren zum Zerreißen gespannt, als Wigo nun den Schlüssel ins Schloss steckte. Würde er passen?
Vorsichtig drehte Wigo den Schlüssel – und tatsächlich! Der Bart fasste und
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