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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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wieder. «Bei uns zeigte sich gestern auch schon ein Vorbote des Ereignisses.»
    Marysa hob den Kopf. «Habt Ihr einen Gast?»
    «Ja, Frau Marysa, und einen sehr willkommenen noch dazu», bestätigte der Dominikaner mit sichtlicher Freude. «Er kam gestern zu uns und wird bis nach der großen Einweihung bleiben.»
    Unwillkürlich hielt Marysa den Atem an. «Ein wichtiger Mann?»
    «Ein bedeutender Inquisitor.»
    In der kurzen Pause, die Bruder Simeon einlegte, weil er Leynhard und Heyn Platz machen musste, die die beiden Schreine hereintrugen, schien es Marysa, als habe ihr Herzschlag seinen Takt vollends verloren.
    Bruder Simeon ging sogleich auf einen der Schreine zu, den Leynhard auf den großen Arbeitstisch in der Mitte der Werkstatt gestellt hatte und betrachtete ihn von allen Seiten, während er weitersprach: «Er ist direkt von Rom hierhergekommen, Frau Marysa. Stellt Euch vor, welch lange und beschwerliche Reise! Aber die Einweihung des herrlichen Gotteshauses, so sagte er, wolle er sich nicht entgehen lassen.»
    Marysa schluckte und räusperte sich. «Und wie ist sein Name?»
    Versuchsweise klappte der Dominikaner das Triptychon an dem Schrein auf und zu. «Oh, sagte ich das nicht? Bruder Eldrad, vielleicht habt Ihr schon von ihm gehört? Er hat einige hochinteressante Abhandlungen über die Inkarnationsformen des Teufels verfasst.» Er lachte. «Davon werdet Ihr nichts verstehen, gute Frau. Aber er hat sich auch einen Namen in einigen wichtigen Ketzerprozessen gemacht.»
    «Hat er das?» Marysa hob die Schultern. «Wie erfreulich. Aber nun entschuldigt mich bitte, ich habe noch zu tun. Besprecht alles, was Euren Schrein betrifft, mit meinen Gesellen.» Freundlich nickte sie dem Dominikaner zu und flüchtete zurück in ihr Kontor, warf die Tür hinter sich zu und lehnte sich dagegen. Ich bin eine dumme Gans, schalt sie sich in Gedanken. Als gäbe es nichts Wichtigeres als einen Dominikaner mit Maultier und dunkelbraunem Mantel. Außerdem hatte sie ihm damals deutlich genug gesagt, dass sie auf seine Gegenwart keinen Wert legte. Es war völlig unsinnig, anzunehmen, dass er wieder nach Aachen kommen würde.
***
    Am folgenden Morgen machte sich Marysa in Milos Begleitung noch einmal auf den Weg in die Kockerellstraße, um sich nach Piets Zustand zu erkundigen. Sie überquerten gerade den Kaxhof, als vom Dom her eine männliche Stimme nach ihr rief.
    «Frau Marysa, wartet bitte einen Moment!»
    Ein kleiner, leicht korpulenter Mann mit schütterem schwarzem Haar kam auf sie zu, den sie erst auf den zweiten Blick erkannte. Überrascht blieb sie stehen. «Meister Hyldeshagen?»
    «Verzeiht, dass ich Euch aufhalte.» Er blieb schnaufend vor ihr stehen. «Ich habe eine Bitte an Euch.»
    Sein treuherziger Blick ließ sie argwöhnisch die Stirn runzeln. «Was für eine Bitte?»
    Hyldeshagen lächelte breit. «Sicher habt Ihr gehört, dass ich die Arbeit Eures geschätzten Herrn Vaters in der Chorhalle übernommen habe. Keineswegs jedoch möchte ich den Streit, den ich mit seinem Vater selig hatte, erneut entfachen. Deshalb wäre ich Euch sehr dankbar, wenn Ihr auf ihn einwirken würdet …»
    «Auf ihn einwirken?» Marysas Argwohn wurde größer.
    «Bittet Ihn, meine Arbeit nicht weiter zu behindern. Niemandem ist gedient, wenn er sich in die Angelegenheiten auf der Baustelle einmischt, anstatt seinen Fuß zu kurieren.»
    In Marysa flammte Ärger auf. «Meister Hyldeshagen …» Sie suchte nach Worten. «Ihr irrt Euch, wenn Ihr glaubt, ich würde mich in diese Angelegenheit einmischen. Falls Ihr Meister Goldschläger etwas mitzuteilen habt, so tut es bitte selbst.» Sie ging weiter und bedeutete Milo, ihr zu folgen. Nach einigen Schritten drehte sie sich noch einmal kurz um. «Ihr tut gerade so, als ob der gesamte Auftrag nun Euch gehören würde. Ich hoffe, Ihr erinnert Euch daran, dass Ihr nur die Vertretung für meinen Stiefvater übernommen habt.» Ohne ihn weiter zu beachten, ging sie mit energischen Schritten weiter. Hinter sich hörte sie Hyldeshagen etwas rufen, doch sie beachtete ihn nicht mehr.
    Erst in der Kockerellstraße verlangsamte sie ihren Schritt, denn schon von weitem erblickte sie den jungen Priester, Vater Ignatius, der ebenfalls auf das Haus ihrer Eltern zusteuerte. Zwei Ministranten begleiteten ihn; der eine trug einen Korb, der andere ein Gefäß mit Weihrauch.
***
    «Welch ein Unglück!», klagte Jolánda mit Tränen in den Augen. «Der arme Piet. Er war so ein guter Mann und ein fleißiger

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