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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Geselle!»
    «Komm, Mutter, leg dich ein wenig hin.» Marysa schob Jolánda sanft aus der winzigen Kammer, in der Piet aufgebahrt worden war, und führte sie in die Schlafkammer. «Bardolf kümmert sich um alles.»
    «Aber die Vorbereitungen für die Beerdigung!», protestierte Jolánda.
    «Das hat doch bis morgen Zeit», versuchte Marysa sie zu beruhigen. «Wem nützt es, wenn du dich jetzt aufregst? Ruh dich ein wenig aus. Wenn du möchtest, kann ich später im Zunfthaus der Goldschmiede vorbeigehen, um Piets Tod anzuzeigen.»
    «Das brauchst du nicht», widersprach Jolánda. «Bardolf wird es selbst machen wollen.» Sie setzte sich auf das breite Ehebett und schlug die Hände vors Gesicht. «Wir haben Piet alle sehr gerne gehabt.»
    «Ich weiß.» Marysa setzte sich neben sie. «Es war einfach ein schrecklicher Unfall.»
    «Und dieser unverschämte Hyldeshagen!» Jolánda ließ die Hände wieder sinken; ihre Augen glitzerten nun nicht mehr nur von den Tränen. «Er hat schon seine halbe Werkstatt in die Chorhalle verlegt. Dabei steht Bardolf der Auftrag nach wie vor zu. Ich weiß gar nicht, was Meister Hont sich dabei gedacht hat, ausgerechnet Bardolfs größten Konkurrenten mit seiner Vertretung zu betrauen.»
    Marysa nickte grimmig. «Ich traf ihn vorhin auf dem Kaxhof. Beinahe hätte ich ihn nicht erkannt, weil er sich seinen Bart abrasiert hat.»
    Jolánda merkte auf. «Den Bart hat er sich abrasiert? Weshalb?»
    Marysa zuckte mit den Schultern. «Es sah aus, als habe er einen Ausschlag oder so etwas auf der Wange. Vielleicht hat sein Arzt ihm dazu geraten.»
    Jolánda schnaubte erbost. «Einen Ausschlag? Hoffentlich ist es die Rüh ! Soll er doch bei lebendigem Leib verfaulen!»
    «Mutter!» Marysa konnte ihre Belustigung nicht unterdrücken und gluckste.
    «Ist doch wahr.» Jolánda funkelte sie aufgebracht an. «Was wollte er von dir?»
    Marysa berichtete kurz von ihrem Gespräch mit Hyldeshagen und stellte zufrieden fest, dass sie ihre Mutter damit wenigstens etwas von ihrer Trauer ablenkte. Sie blieb noch bis zum Abend, erzählte später auch Bardolf von ihrer Begegnung auf dem Kaxhof, woraufhin er ihr mit finsterer Miene nahelegte, Hyldeshagen aus dem Weg zu gehen. «Er ist eine Schlange», knurrte er. «Aber einflussreich. Geht bei den Patriziern ein und aus. Vermutlich ist das auch der Grund, weshalb Hont ihn jetzt die Chorhalle machen lässt.»
    «Du glaubst, dass er den Auftrag nicht wieder an dich abgibt?», fragte Marysa besorgt.
    Einen Moment lang schwieg Bardolf. Dann antwortete er: «Es ist noch immer mein Auftrag. Das Marienstift hat mich dafür bestimmt. Aber ich kenne Hyldeshagen. Wenn er eine Gelegenheit wittert, mich auszustechen, wird er sie ergreifen.»
    «Warum bloß?», hakte Marysa nach.
    Bardolf hob die Schultern. «Aus Neid vermutlich.»

7. KAPITEL
    Zwei Tage nach Piets Beerdigung erhielt Marysa eine Lieferung neuer Reliquien. Sie wachte persönlich darüber, dass Milo und Jaromir die wertvollen Heiltümer ordentlich in Truhen verstauten, und begab sich daran, die Neuzugänge in ihren Büchern zu verzeichnen. Dabei machte sie in Gedanken bereits Pläne, welchen ihrer Kunden sie wohl für das Büschel Haare der heiligen Thekla würde begeistern können, und schrak zusammen, als jemand an den Türstock klopfte.
    Sie hob den Kopf und sah ihren Vetter Hartwig vor ihrem Pult stehen. Ungefragt nahm er ihr Rechnungsbuch auf und studierte es eingehend.
    «Was willst du hier?», fauchte sie und wollte ihm das Buch wieder abnehmen. Doch Hartwig grinste nur und hielt es außerhalb ihrer Reichweite.
    «Gute Geschäfte machst du, Cousinchen.»
    Marysa erhob sich wütend und trat ihm entgegen. «Das geht dich nichts an.»
    Hartwig klappte das Buch zu und warf es achtlos auf den Tisch. «Ach nein?» Seine Miene wurde ernst. «Ich glaube aber doch. Als nächster männlicher Blutsverwandter steht es mir sehr wohl zu, mich nach deinem Wohlergehen zu erkundigen.»
    «Nach meinem Wohlergehen?», zischte Marysa. «Dass ich nicht lache. Du meinst wohl, nach meinem Vermögen.»
    «Wie auch immer.» Hartwig zuckte nur mit den Achseln. «Ich bin hier, um dir den offiziellen Antrag meines Vetters und Gesellen Gort Bart zu übermitteln. Er wünscht, dich noch vor Weihnachten vor die Kirchenpforte zu führen.»
    «So, wünscht er das? Er ist wohl nicht in der Lage, mir dies selbst zu sagen?» Marysa ging zurück hinter ihr Pult und setzte sich wieder.
    Hartwig lächelte schmal. «Es reicht, wenn du mir deine

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