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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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sah. «Ich gehöre der Heiligen Römischen Inquisition nicht mehr an.»
    Marysa starrte ihn verblüfft an. «Warum?»
    Christophorus zögerte, dann antwortete er: «Ich habe … darum gebeten, mich aus diesem Dienst zu entlassen, aus … nun ja, aus Gewissensgründen.» Wie genau diese Gewissensgründe aussahen, würde er ihr allerdings ganz sicher nicht erzählen.
    Marysa fragte auch nicht nach. Über diese Neuigkeit wollte sie erst einmal in Ruhe nachdenken. Also wechselte sie das Thema. «Ihr sagtet eben etwas über die Sägespäne, die Ihr gefunden habt. Ich verstehe noch immer nicht, was Euch daran so ungewöhnlich erscheint. Selbst wenn hier nicht mehr gesägt wurde, werden sie doch wohl von den Zimmerleuten stammen, die hier gearbeitet haben.»
    «Nee, Herrin», mischte sich Milo ungefragt ein. «Die kehren hier jeden Tag. Ich hab’s selbst gesehen. Die Dompfaffen wollen keinen Dreck in ihrer heiligen Halle haben.»
    Wohlwollend nickte Christophorus ihm zu. «Ganz recht, mein Junge. Selbiges habe ich bereits von einem der Kanoniker erfahren.» Erneut betrachtete er die Splitter in seiner Hand. «Wenn aber hier weder gesägt noch nachlässig gefegt wird – woher stammen dann die Sägespäne?» Er schwieg einen Moment und setzte hinzu: «Späne, die ziemlich genau an der Stelle liegen, an der der Gewölbestützbalken herabgestürzt ist.»
    Marysa wurde blass. «Ihr meint …?»
    «Dass er angesägt worden sein könnte, jawohl.»
    Fahrig griff sich Marysa an die Stirn und ging zu dem Deckenbalken hinüber. Hatte sie sich also nicht getäuscht? «Seht Euch das an», forderte sie Christophorus auf und deutete auf die Bruchstelle am oberen Ende des Balkens.
***
    «Der Balken wurde manipuliert?» Bardolf hatte sich Marysas Bericht der Ereignisse in der Chorhalle mit Sorge angehört. Nun ging er sichtlich beunruhigt in seiner Stube auf und ab.
    Marysa saß neben ihrer Mutter am Tisch und drehte einen Becher Wein in den Händen. «Bruder Christophorus wollte umgehend das Domkapitel informieren», erzählte sie weiter. «Der Dechant ist wohl im Augenblick nicht da, aber Johann Scheiffart vertritt ihn. Bruder Christophorus meinte, es könne sein, dass du deswegen auch noch befragt wirst», wandte sie sich an Bardolf. «Vielleicht auch ich, weil ich die Sägespuren am Balken entdeckt habe.»
    «Du liebe Zeit», sagte Jolánda schaudernd. «Sollte das tatsächlich ein Anschlag gewesen sein? Aber auf wen? Und wer soll den Balken angesägt haben?» Sie schüttelte den Kopf. «Unglaublich. Das dürfte ja wohl ein gefundenes Fressen für Bruder Christophorus sein.» Sie schwieg einen Moment. «Merkwürdig, dass er ausgerechnet jetzt wieder hier in Aachen auftaucht.»
    Marysa hob den Kopf. «Wie meinst du das? Glaubst du etwa, er hat etwas damit zu tun?»
    Jolánda schüttelte wieder den Kopf. «Aber nein. Ich dachte nur, dass er ein Gespür dafür zu haben scheint, wann er in Aachen gebraucht wird. Als Inquisitor kann er ja …»
    «Er ist kein Inquisitor mehr», unterbrach Marysa sie.
    Jolánda und Bardolf blickten sie überrascht an. «Was sagst du da?»
    Marysa hob die Schultern. «Er erzählte mir, dass er seit einiger Zeit nicht mehr der Inquisition angehöre.»
    Jolánda legte den Kopf auf die Seite. «Und warum nicht? Mir kam es damals so vor, als sei er ein sehr fähiger Inquisitor.»
    «Das war er bestimmt», antwortete Marysa. «Ich weiß nicht, weshalb er um seine Entlassung gebeten hat. Er sagte nur etwas von Gewissensgründen.»
    Jolánda und Bardolf wechselten einen kurzen Blick.
    «Gewissensgründe.» Bardolf runzelte die Stirn. «Ich wusste gar nicht, dass man die Heilige Römische Inquisition so einfach verlassen kann.» Nachdenklich nahm er seine Wanderung durch die Stube wieder auf. «Aber ob Inquisitor oder nicht, er scheint sich ja trotzdem in die Sache einmischen zu wollen. Mit Erfolg», fügte er nach einer winzigen Pause hinzu. «Wenn er die Sägespäne nicht gefunden hätte, wärest du vielleicht nie auf den Gedanken gekommen, deine Entdeckung kundzutun, Marysa.»
    Sie sah ihn erst erstaunt an, nickte dann aber zustimmend. «Du hast recht. Vermutlich hätte ich gar nicht mehr weiter darüber nachgedacht.»
    Bardolf blieb stehen. «Jolánda, hol mir meinen Mantel. Ich gehe zu Ansem Hyldeshagen. Er muss erfahren, dass sein Geselle und der Knecht vielleicht einem Mordanschlag zum Opfer gefallen sind.»

10. KAPITEL
    «Du bist ein Esel», knurrte der ältere Mann den jüngeren an. «Warum lässt du

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