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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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ich nicht, dass der Mörder, falls es tatsächlich einen gibt, es ausgerechnet auf mich abgesehen hat. Ich bin doch nur eine arme Witwe.»
    «Arm?» Jolánda hob die rechte Augenbraue.
    Marysa schmunzelte. «Na gut, eine wohlhabende Witwe. Für mich besteht trotzdem keinerlei Gefahr, dessen bin ich mir sicher.» Sie ging zur Küche, um Milo Bescheid zu geben, der ihr und Jolánda eilfertig bis zur Haustür folgte.
    Marysa zog sich die Kapuze ihres Mantels über den Kopf und umarmte ihre Mutter dann fest. «Du bist selbst schon oft spätabends den Weg vom Büchel hierher gegangen», sagte sie leise.
    «Ich weiß.» Jolánda lächelte nun ebenfalls. «Trotzdem mache ich mir Sorgen.»
    «Ich gebe schon auf Frau Marysa acht», erklärte Milo und reckte sich, um seine drahtige Gestalt imposanter wirken zu lassen. «Wer was von ihr will, muss zuerst an mir vorbei!»
    «Siehst du, Mutter.» Marysa gab Jolánda einen Kuss auf die Wange. «Ich bin in den besten Händen.»
    «Also gut.» Jolánda streichelte ihr kurz über den Arm. «Ich komme morgen Vormittag mit Éliás bei dir vorbei.»
    Marysa nickte ihrer Mutter noch einmal zu und ging dann mit Milo an ihrer Seite die Kockerellstraße hinab in Richtung Kaxhof.
    Schon aus einiger Entfernung sah sie Bardolf bei Christophorus stehen; beide sahen ihr neugierig entgegen. Ihren holprigen Herzschlag ignorierte sie standhaft und konzentrierte sich auf Bardolf. «Vater», sagte sie förmlich. «Gut, dass Ihr auf dem Heimweg seid. Ihr werdet bereits erwartet.» Sie streifte Christophorus mit einem kurzen Blick und nickte ihm knapp zu. Er erwiderte den Gruß mit einem leichten Neigen des Kopfes.
    Bardolf schaute aufmerksam von seiner Stieftochter zu dem Dominikaner, verkniff sich aber einen Kommentar. «Jolánda sorgt sich doch nicht etwa?», fragte er stattdessen mit betont heiterer Stimme. «Ich hatte ihr angekündigt, dass es spät werden könnte.»
    «Nun, dann möchte ich Euch nicht länger aufhalten», sagte Christophorus. «Langsam wird es Zeit für mich, mir ein Örtchen zum Nächtigen zu suchen.»
    «Ich dachte, Ihr wohnt im Konvent?», warf Bardolf erstaunt ein.
    Christophorus winkte ab. «Das hatte ich vor, die Vorfälle heute hielten mich jedoch davon ab, dort vorzusprechen. Um diese Zeit möchte ich meine Mitbrüder nicht mehr stören. Aber es wird sicher noch möglich sein, die Herberge aufzusuchen, in der ich mein Maultier untergestellt habe.»
    «Bei uns ist doch jede Menge Platz», rief Milo vorlaut dazwischen.
    Marysa drehte sich erschrocken und verärgert zugleich zu ihm um.
    «Stimmt doch, oder nicht, Herrin? Die beiden Kammern, die zum Hof rausgehen, stehen schon lange leer.» Milo schien ihren strafenden Blick nicht zu bemerken – oder er ignorierte ihn gekonnt.
    Verlegen wandte sich Marysa wieder den beiden Männern zu. «Also, ähm, das kommt jetzt ein wenig unerwartet …»
    «Ihr braucht Euch keine Umstände zu machen», wehrte Christophorus ab. «Wie gesagt, ich werde in der Herberge unterkommen.»
    Bardolf schwieg, warf Marysa aber einen auffordernden Blick zu. Sie verstand. Wenn sie ihn jetzt nicht einlud, wäre sie wirklich unhöflich. Vor allem, wenn man bedachte, wie er ihr vor anderthalb Jahren beigestanden hatte und dass er ja auch ein enger Freund ihres Bruders gewesen war.
    Sie wand sich innerlich, sagte jedoch äußerlich ruhig: «Bruder Christophorus, Ihr seid herzlich eingeladen, heute in meinem Haus zu übernachten. Es macht uns keinerlei Umstände, das versichere ich Euch.»
    Christophorus zögerte ebenfalls. Ausgerechnet in Marysas Haus zu schlafen, hielt er nicht für die vernünftigste Lösung. Andererseits würde er es dort bequem haben – schließlich war es ja nur für diese Nacht.
    Forschend sah er ihr ins Gesicht, doch ihre Miene ließ keinerlei Regung außer verbindlicher Höflichkeit erkennen. «Also gut», antwortete er schließlich. «Eure freundliche Einladung kann ich wohl schwerlich ausschlagen.»
    Marysa nickte. «Dann sollten wir jetzt gehen. Gute Nacht, Vater», sagte sie kühl zu Bardolf.
    Dieser lächelte amüsiert. «Gute Nacht, Tochter», antwortete er im gleichen Tonfall und machte sich auf den Weg zu seinem Haus.
    Marysa ging ohne ein weiteres Wort, mit raschen Schritten, über den Kaxhof, dann den Büchel hinauf. Milo und Christophorus folgten ihr schweigend.
***
    «Bruder Christophorus übernachtet in Marysas Haus?» Jolánda saß mit offenem Haar und mit einem wadenlangen, spitzenbesetzten Hemd bekleidet auf

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