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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Christophorus um, blickte ihm aber nicht ins Gesicht. «Kommt hinunter in die Stube. Balbinas Würzwein wird Euch wärmen und verhindern, dass Ihr Euch eine Erkältung holt.»
    Christophorus sah ihr einen Moment lang schweigend nach, dann fuhr er sich durch sein feuchtes Haar und lehnte sich gegen den Türstock. Vielleicht war es besser, wenn er ihr einen kleinen Vorsprung ließ.

17. KAPITEL
    Obwohl es bereits kurz vor Mitternacht war, hatten sich die Hausbewohner in der Stube eingefunden. Außer dem Würzwein hatte Balbina auch Krüge mit Bier auf den Tisch gestellt. Nun saßen alle still beieinander und lauschten dem Sturm, der sich noch weiter gesteigert hatte. Er schien aus allen Richtungen gleichzeitig zu kommen, denn der Regen prasselte auf allen vier Hausseiten gegen die Fensterläden. Lediglich Christophorus war unverzüglich wieder in seine Kammer verschwunden, nachdem er sich von dem heißen Wein eingeschenkt hatte.
    Bei jedem Krachen oder Scheppern, das von draußen hereindrang, wurde die Stimmung in der Stube angespannter.
    «Hoffentlich reißt es nicht die Schindeln vom Dach», sprach Balbina schließlich die Befürchtungen aller aus. «Es hört sich an, als sei der Leibhaftige höchstpersönlich da draußen unterwegs.»
    Imela, die nicht nur schüchtern, sondern auch recht ängstlich war, stieß einen erschrockenen Laut aus und bekreuzigte sich. Mütterlich tätschelte Balbina ihren Arm. «Herrin, vielleicht sollten wir ein Gebet zusammen sprechen?», schlug sie vor.
    Marysa, die sich mittlerweile beinahe wieder beruhigt hatte, nickte zustimmend und faltete ihre Hände. Die anderen taten es ihr gleich, gemeinsam beteten sie ein Ave-Maria. Nachdem sie gerade die letzten Worte gesprochen hatten, hörten sie ein lautes Ratschen, dann ein Klirren, als etwas auf den Steinen im Hof zerschellte.
    Marysa fuhr zusammen und sprang auf. «Das Dach!», rief sie. «Jaromir, sieh nach, was da passiert ist. Aber sei vorsichtig!» Sie folgte dem Knecht bis zur Hintertür und hielt diese fest, während Jaromir sich einige Schritte in den Hof hinauswagte. Schon kurz darauf kam er wieder zurückgerannt. «Ein Ast vom Apfelbaum ist abgebrochen und hat eine Schindel vom Stalldach runtergerissen», berichtete er, nachdem Marysa die Tür wieder verriegelt hatte. «Sieht nicht so schlimm aus, aber da draußen fliegt alles Mögliche herum. Ich muss morgen nachschauen, ob noch mehr kaputt gegangen ist.»
    Gemeinsam gingen sie zurück in die Stube.
    «Keine Sorge», sagte Marysa, um ihr Gesinde zu beruhigen. «Das Dach scheint zu halten.»
    Da das Haus im gleichen Moment wieder von einer besonders heftigen Böe erfasst wurde, schluchzte Imela leise auf. «Ich hab Angst, Herrin!»
    Rasch nahm Balbina das weinende Mädchen in den Arm und sah besorgt zu Marysa herüber. «Herrin, würdet Ihr vielleicht eines dieser frommen Lieder für uns singen? Vielleicht erhört uns die Jungfrau Maria und hält ihre schützende Hand über uns.»
    Zweifelnd blickte Marysa in die Runde, doch auch in den Gesichtern der anderen erblickte sie Sorge und Zustimmung. Zögernd ging sie zu der Lade, in der sie ihre Laute aufbewahrte, holte das Instrument hervor und stimmte es. Nach einigem Überlegen begann sie mit leiser Stimme:
«O du selige dryfaltikait
und auch verdriste ainikait
yetzunt weicht dy fewrein sunn
geus ein das licht den herczen
Wir pitten dich frue und auch czu vesperzeit
Mit geticht des lobes
Unnser petleiche ere
Wirt dich lobn über allew werlt»
***
    Christophorus saß auf dem Bett und drehte den leeren Weinbecher in seinen Händen. Dass er nicht bei den anderen unten saß und für einen glimpflichen Verlauf des Unwetters betete, schrieb er einer plötzlichen Anwandlung von Feigheit zu. Wahrscheinlich war es besser, Marysa heute nicht mehr über den Weg zu laufen, denn ihre Reaktion auf seine kurze Berührung hatte ihm mehr zugesetzt, als er für möglich gehalten hatte. Eine Tatsache, die ihn im Nachhinein erschreckte, denn eines war sicher: Solche Anwandlungen führten zu nichts. Nichts Gutem jedenfalls.
    Er durfte diesem unseligen Verlangen, dass ihn in Marysas Gegenwart neuerdings erfasste, nicht nachgeben, ja es sich nicht einmal anmerken lassen. Er war als Mönch hier, als Ablasskrämer! Gewiss, auch als guter Freund der Familie, und als solcher hatte er sich verpflichtet, über Marysas Wohlergehen zu wachen. Keinesfalls jedoch war es recht, ihr zu nahezutreten, und schon gar nicht, sie mit solchen unbedachten Gesten in

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