Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
beobachten?»
    «Ich habe Euch nicht …» Christophorus brach ab und schüttelte den Kopf. Natürlich hatte er sie beobachtet. Eine ganze Weile sogar. «Esst dies.» Er trat an ihr Pult und stellte eine Schüssel mit Hirsebrei und gerösteten Apfelstückchen vor sie hin. Einen Löffel legte er daneben. Dabei fiel sein Blick auf die armlange Holzstange, die an der Seite des Pultes lehnte. Neugierig betrachtete er sie.
    Marysa hatte widerwillig die Schüssel herangezogen und sich einen Löffel des Breis in den Mund geschoben. Erst als sie auf den Apfelstückchen herumkaute, merkte sie, dass sie tatsächlich hungrig war.
    Christophorus legte die Stange auf dem Pult ab und zog sich den Stuhl für Gäste heran. «Ein Stück vom Baugerüst?», fragte er.
    Marysa nickte. «Vom ersten Gerüst. Das nehme ich zumindest an, da es relativ weit unten auf dem Holzhaufen lag.»
    «Warum habt Ihr es mitgenommen?»
    Marysa löffelte weiter ihren Brei, während sie auf zwei kleine Löcher gleich neben der Bruchstelle deutete.
    Stirnrunzelnd musterte Christophorus die Stange erneut, hob dann den Kopf wieder. Fragend blickte er Marysa an.
    «Die Splintlöcher», sagte sie, nachdem sie die Schale ausgekratzt und den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte. «Sie sind ganz gerade und nicht so gesplittert wie alle anderen.»
    «Und?»
    Marysa nahm die Stange und beäugte die beiden Löchlein selbst noch einmal. «Wo sind die Metallsplinte, die darinstecken müssten?»
    Aufmerksam beugte Christophorus sich vor. «Herausgebrochen, als das Gerüst umstürzte», schlug er vor.
    Marysa schüttelte den Kopf. «Dann würde es wie hier aussehen.» Sie tippte auf ein weiteres Splintloch einige Handbreit links von den beiden anderen, welches verzogen war und am Rand kleine Risse aufwies.
    «Es könnten auch gar keine Splinte darin gesteckt haben.» Als er ihren Blick auffing, hob er die Schultern. «Ihr könnt nur vermuten, dass die Splinte absichtlich herausgezogen wurden, um den Unfall herbeizuführen.»
    «Aber Ihr haltet es auch für möglich.»
    «Wenn es jemand auf Meister Goldschläger abgesehen hatte», bestätigte Christophorus, schränkte jedoch sofort ein: «Aber dann stellt sich die Frage, weshalb man später zwei Anschläge auf Hyldeshagen verübt hat.»
    Marysa stützte ihren Kopf mit ihren Händen und starrte auf das Pult. «Bardolf hat keine Feinde», murmelte sie. «Er ist ein herzensguter Mensch …»
    «Ihr mögt ihn sehr», stellte Christophorus fest. «Geht Ihr heut noch in die Kockerellstraße?»
    «Natürlich.» Marysa erhob sich. «Das werde ich gleich tun, nachdem ich mit meinen Gesellen gesprochen habe. Wir müssen noch einmal zu Bardolf und sehen, ob ihm auch nichts fehlt.»
    «Das werde ich gerne übernehmen.» Auch Christophorus stand auf und folgte ihr in die Werkstatt. Die Frage, worüber sie mit Heyn und Leynhard sprechen wollte, erübrigte sich, denn sie winkte die beiden Gesellen bereits zu sich und berichtete ihnen von dem Auftrag, den der Domherr Scheiffart ihrer Werkstatt geben wollte.
    Heyn pfiff durch die Zähne. «Der Alte scheint ja einen Narren an Euch gefressen zu haben. Nichts für ungut», setzte er hinzu. «Aber hätt’ er nicht erst Meister Schrenger fragen müssen? Er ist ja immerhin der oberste …»
    «Noch nicht», unterbrach Marysa ihn. «Noch ist er nicht in das Amt gewählt worden. Das tut auch nichts zur Sache. Herr Scheiffart hält unsere Werkstatt für die fähigste, um diese Schreine anzufertigen. Nun möchte ich von euch wissen, ob wir wirklich so gute Arbeit liefern können. Bis Januar müssen mindestens zwei oder drei Schreine fertig sein.»
    «Zwei oder drei?», mischte Christophorus sich verblüfft ein. «Haltet Ihr das nicht für ein bisschen viel?»
    Ehe Marysa widersprechen konnte, stimmte Leynhard ihm zu. «Bruder Christophorus hat recht. Solche Schreine, wie Ihr sie beschreibt, dazu noch den Altarschrein für die Dominikaner und die Reliquiare für die Pilger, die zur Einweihung in die Stadt kommen. Wir sind nur zu zweit!»
    Marysa schwieg. Sie sah ein, dass sie mit diesem Auftrag an die Grenzen ihrer Werkstatt stieß. «Und wenn ich einen weiteren Mann einstelle?», fragte sie. «Für die Schnitzereien haben wir uns bisher immer eine Hilfe von außerhalb genommen.»
    «Ihr wollt Euren Schwiegervater wieder um Hilfe bitten?» Heyn kratzte sich skeptisch am Kinn. «Der wird so kurz vor der Kirmes selbst jeden Mann benötigen. Soweit ich weiß, gibt es momentan in Aachen keinen

Weitere Kostenlose Bücher