Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
Vom Netzwerk:
Licht verbreitete. «Was willst du hier?», fauchte sie ihn an. «Um diese Zeit empfange ich keinen Besuch mehr.»
    «Meister Hartwig soll nicht wissen, dass ich hier bin», antwortete er, glücklicherweise nun wieder mit gedämpfter Stimme. Fragend blickte er über ihre Schulter ins Haus, doch sie schüttelte den Kopf und trat zu ihm in den Hof. Schaudernd rieb sie sich die Arme. Es war eiskalt, weil noch immer ein scharfer Wind wehte.
    «Also?» Auffordernd blickte sie in sein grinsendes, nichtssagendes Gesicht.
    Seine Miene wurde eine Spur ernster. «Ich weiß, dass Ihr mich nicht heiraten mögt», begann er unumwunden. «Ihr glaubt, dass Ihr dann die Werkstatt an Meister Hartwig verliert.» Er trat einen Schritt auf sie zu. «Ich mag Euch gerne, Frau Marysa. Ihr seid ein ansehnliches Weib, Ihr habt Temperament …» Nun grinste er wieder. «Das kann man an Euren Augen sehen. Ich würde Euch auf der Stelle nehmen.» Er kam noch näher, sodass Marysa sich zusammenreißen musste, um nicht vor ihm zurückzuweichen. «Ich bin nicht so dumm, wie Ihr glaubt. Wenn Ihr mich heiratet, werde ich dafür sorgen, dass Meister Hartwig sich aus Eurer – also dann meiner – Werkstatt heraushält. Ihr habt gute Gesellen, zusammen könnten wir sehr erfolgreich sein.» Er zwinkerte ihr verschwörerisch zu. «Eure Reliquien könnt Ihr auch gerne weiter verschachern. Scheint ja ein einträgliches Geschäft zu sein. Was sagt Ihr dazu?»
    Zweifelnd und voller Argwohn erwiderte Marysa seinen lauernden Blick. Meinte er ernst, was er da sagte, oder war dies nur eine raffinierte Finte ihres Vetters? Zuzutrauen wäre es ihm. «Wie willst du ihn davon abhalten, sich in meine », sie betonte das Wort absichtlich, «Werkstatt zu drängen?»
    In Gorts Augen blitzte es. «Ich hab da schon so meine Ideen; lasst mich nur machen. Jedenfalls kriegt er die Werkstatt nicht. Das ist doch ein guter Grund, mich zu heiraten, oder? Wenn wir dann ganz schnell einen männlichen Erben in die Welt setzen, wird ihn das …»
    «Das ist dein Plan?», fuhr Marysa ihn verächtlich an. «Ein männlicher Erbe? Mehr nicht?»
    Gort schob beleidigt das Kinn vor. «Natürlich nicht. Nicht nur, meine ich. Aber für den Anfang …»
    «Du bist ein Schwätzer, Gort Bart.» Marysa wandte sich ab und wollte zur Tür zurückgehen, doch plötzlich spürte sie Gorts Hand auf ihrer Schulter. Er hielt sie fest. Sie fuhr zu ihm herum. «Fass mich nicht an!»
    «Aber Frau Marysa …» Er schob die Unterlippe vor und wirkte mit einem Mal wie ein weinerliches Kind. «Er wird uns die Werkstatt nicht wegnehmen. Ich verspreche Euch, dass ich dafür sorgen werde.» Mit einem Ruck zog er sie an sich, sodass ihr für einen Lidschlag lang vor Schreck die Luft wegblieb. Sein Gesicht kam ihrem ganz nahe. Er flüsterte: «Vielleicht braucht Ihr ja noch einen anderen Anreiz? Ich weiß, dass Ihr mit Meister Markwardt nicht glücklich wart. So was sieht man einer Frau an. Er konnte Euch nicht … genug bieten. Aber ich …»
    «Lass mich los!», raunte Marysa und fixierte ihn scharf.
    Gort reagierte nicht auf den warnenden Unterton in ihrer Stimme. Stattdessen drängte er sich fester an sie und versuchte, sie zu küssen.
    Marysa riss ihre rechte Hand hoch und schlug Gort mit aller Kraft ins Gesicht. Er ließ sie umgehend los und taumelte zwei Schritte rückwärts. Eher verblüfft als wütend fasste er an seine Wange und starrte sie an. «Ganz schön kratzbürstig, wie?», nuschelte er, trat erneut auf sie zu, jedoch ohne sie zu berühren. «So leicht gebe ich nicht auf, Frau Marysa. Ich will Euch. Entweder nehmt Ihr mich freiwillig oder ich warte darauf, dass Meister Hartwig Euch zwingt. Überlegt es Euch.» Er lächelte etwas verzerrt und ging dann zum Hoftor.
    Marysa wartete. Sie vernahm nicht das leise schabende Geräusch, mit dem das Tor normalerweise ins Schloss fiel, doch Gorts Schritte entfernten sich rasch von ihrem Haus. Offenbar hielt er es nicht für nötig, das Tor zu schließen. Sie würde es also tun müssen, um nicht womöglich Bettler oder Landstreicher anzulocken. Marysa machte einen Schritt auf das Tor zu. Plötzlich fühlte sie sich gänzlich kraftlos und ausgelaugt. Nicht weit entfernt plätscherte der Laufbrunnen, dessen Wasser durch Rohre bis in den Hof und von dort auch wieder zurück zum Büchel geleitet wurde. Neben dem Brunnen stand ein umgestülpter Eimer, auf den sich Marysa nun sinken ließ.
    Mehrmals atmete sie tief ein und aus, um den hysterischen Anfall

Weitere Kostenlose Bücher