Der gläserne Schrein (German Edition)
Geschirr aufbewahrt wurde, nahm vier Zinnteller heraus und begann, den Tisch zu decken, obwohl es dafür noch zu früh war. Als sie sich umwandte, um die Becher zu holen, trat ihr Christophorus in den Weg und hielt sie am Arm fest.
«Jetzt habt Ihr nicht nur Angst, Ihr seid auch noch wütend», sagte er leise.
Marysa starrte auf seine Hand, die ihren Oberarm fest umfasste. Die Berührung brannte wie Feuer auf ihrer Haut, obwohl der Stoff ihres Kleides dazwischen lag. «Lasst mich sofort los!», fauchte sie.
Christophorus zog seine Hand tatsächlich zurück, bewegte sich jedoch nicht vom Fleck, sodass sie um ihn herumgehen musste. Als sie ein drittes Mal zum Regal ging, um der Lade, die darunter stand, Messer und Löffel zu entnehmen, trat er ihr erneut in den Weg. Stur versuchte sie, sich an ihm vorbeizudrängen, doch diesmal hielt er sie mit beiden Händen an den Schultern fest. «Wir sollten einen Weg finden, damit zurechtzukommen», sagte er eindringlich.
Marysa hob kurz den Kopf und blitzte ihn sarkastisch an. «Ihr meint, ich sollte einen Weg finden.»
«Nein», antwortete er. Obwohl er es sich verboten hatte, wanderte sein Blick zu ihrem Mund. «Nein, wir gemeinsam sollten uns darum bemühen.» Seine Daumen streichelten unbewusst über ihre Schultern. Er machte einen halben Schritt auf sie zu.
Marysa erstarrte, und ihr Herzschlag beschleunigte sich. «Hört auf damit», forderte sie. Erschrocken registrierte sie, wie wenig fest ihre Stimme dabei klang. Sie legte ihre Hand auf seine Brust, um ihn von sich zu schieben, doch stattdessen zog er sie an sich und berührte sachte ihre Lippen mit den seinen.
Marysa stieß einen leisen, protestierenden Laut aus, wehrte sich aber nur für einen Moment gegen den Kuss. Er war anders heute, weniger fordernd. Dennoch schien der Boden unter Marysas Füßen zu schwanken. Ihre Hand lag noch immer auf Christophorus’ Brustkorb, sodass sie seinen schnellen Herzschlag spüren konnte. Eine seiner Hände wanderte in ihren Nacken und streichelte dort den schmalen Streifen Haut zwischen dem Kragen ihres Kleides und ihrer Haube.
Ihre Nackenhärchen stellten sich auf. Ohne es zu wollen, vertiefte sie ihrerseits den Kuss, indem sie die Lippen ein wenig öffnete.
***
Bibbernd eilte Jolánda über den Hof zurück zum Haus. Dort schüttelte sie ihren Umhang aus, der von nassen Schneeflocken bedeckt war. Sie hatte gedacht, Marysa in der Küche anzutreffen, aber Balbina war allein damit beschäftigt, ein Stück Fleisch fein zu hacken. Jolánda nickte ihr kurz zu und ging dann auf die Stubentür zu. Lauschend blieb sie stehen. Da kein Geräusch zu hören war, drückte sie die Tür auf und blickte in den Raum. Wohlige Wärme schlug ihr entgegen, doch Jolánda spürte, wie sie eine Gänsehaut bekam, als sie ihre Tochter und Bruder Christophorus sah. Zwar hatte sie geahnt, dass zwischen den beiden irgendetwas vorging, doch erst jetzt, da sie Zeugin dieses leidenschaftlichen und zugleich zärtlichen Kusses wurde, begriff sie das Ausmaß. Einen Moment lang beobachtete sie die beiden, dann zog sie sich still zurück, schloss die Tür und zählte langsam bis zehn. Erneut öffnete sie die Tür und betrat mit betont munterer Miene die Stube. «Kalt ist es draußen», sagte sie in heiterem Ton. Wie sie vermutet hatte, fuhren die beiden erschrocken auseinander, als hätten sie sich aneinander verbrannt. Jolánda tat, als habe sie nichts bemerkt. «Marysa, sag, was kocht Balbina denn da Gutes? Ich habe gesehen, dass sie Fleisch hackt. Werden da etwa ihre berühmten Heidnischen Kuchen zubereitet?»
«Ja, Mutter.» Marysa räusperte sich. Sie versuchte, wieder zur Besinnung zu kommen und sich gleichzeitig nichts von dem Aufruhr anmerken zu lassen, der in ihr tobte. «Ich habe sie darum gebeten, auch für das Gesinde welche zuzubereiten. Natürlich bist du herzlich eingeladen, mit uns zu speisen.»
«Da sage ich gewiss nicht nein.» Jolánda lächelte etwas angestrengt und wandte sich an Christophorus. «Ihr werdet uns gewiss ebenfalls beim Abendessen Gesellschaft leisten, nicht wahr?»
Christophorus schüttelte den Kopf. «Ich hatte vor, zu meinem Konvent zu gehen, um …»
«Daran ist gar nicht zu denken», widersprach Jolánda, ohne ihn ausreden zu lassen. «Es schneit so heftig, dass Ihr unmöglich hinausgehen könnt. Ihr würdet ganz durchnässt und bestimmt krank werden, Bruder Christophorus.»
«Nun denn.» Er warf Marysa einen kurzen Blick zu, den diese mit verschlossener Miene
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