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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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will ich hoffen», sagte Marysa. «Außerdem hilft Bruder Christophorus uns ja nur aus, bis wir einen Schnitzer fest einstellen können. Der Auftrag, den Abt Winand zu vergeben hat, bedeutet eine längerfristige Zusammenarbeit mit dem Kloster in Kornelimünster, und dafür werde ich einen Schnitzer fest einstellen müssen.»
    «Ich versteh schon», sagte Milo. «Bruder Christophorus kann ja nicht ewig nachts in seine Kammer arbeiten. Glaubt Ihr denn, Ihr findet einen Schnitzer, der genauso gut ist wie er?»
    Christophorus gab dem Jungen einen leichten Knuff gegen den Arm. «Es gibt viele begabte Handwerker, Milo. Sogar du kannst recht annehmbar mit dem Schnitzmesser umgehen.»
    «Ich?» Milo sah ihn erstaunt an. «Ich hab doch nur so ein Püppchen für meine kleine Schwester geschnitzt. Das ist nichts Besonderes.»
    Christophorus lächelte. «Du hast Talent, Junge. Wenn du das Geld für eine Ausbildung aufbringen könntest, würdest du vielleicht einmal ein brauchbarer Geselle werden.»
    «Pah!», Milo schüttelte den Kopf. «Wie soll ich das denn bewerkstelligen? Nee, ich bin ja schon froh, dass Frau Marysa mich als Knecht eingestellt hat.» Mit diesen Worten ging er schnellen Schrittes wieder ein Stück voraus.
    «Milo kann schnitzen?», fragte Marysa erstaunt und sah Christophorus von der Seite an.
    Er nickte. «Wie ich gesagt habe, mit einer richtigen Ausbildung könnte etwas aus ihm werden.»
    «Die werden sich seine Eltern niemals leisten können. Immerhin ist er schon fast achtzehn Jahre alt. Er muss sich sein täglich Brot selbst verdienen.» Sie seufzte. «Abgesehen davon hat er recht: Ihr könnt nicht ewig in Eurer Kammer für mich schnitzen. Außerdem hat mir der Abt eine zweite Auflage gemacht. Ziemlich deutlich sogar.»
    «Und die wäre?»
    Marysa konzentrierte ihren Blick auf den Weg vor ihr. «Er hat mir zu verstehen gegeben, dass er den Auftrag eher an unsere Werkstatt vergeben wird, wenn sie wieder einen Meister hat.»
    Christophorus legte den Kopf zur Seite und sah sie forschend an. «Ich dachte, Ihr hättet Euch längst dafür entschieden. Wenn Ihr die Werkstatt über den kommenden Sommer hinaus halten wollt, müsst Ihr Leynhard heiraten … oder Gort.» Er hielt inne. «Oder einen anderen Schreinergesellen, nicht wahr?»
    Marysa nickte. «So schreibt es die Zunftordnung vor.»
    «Ich habe Leynhard beobachtet», sagte Christophorus unvermittelt. «Er würde einen passablen Meister abgeben. Außerdem ist er vernarrt in Euch.»
    «Wirklich?» Sie brachte es nicht fertig, seinen Blick zu erwidern. «Ihr legt mir auch nahe, Leynhards Antrag anzunehmen?»
    «Leynhard hat Euch einen Antrag gemacht, und Ihr wollt ihn heiraten?» Unbemerkt war Milo wieder langsamer geworden und hatte ihrem Gespräch offenbar gelauscht. Jetzt sah er Marysa mit großem Interesse an.
    Sie verzog verärgert die Lippen. «Das geht dich nichts an, Milo!»
    Der junge Knecht zog kurz den Kopf ein und kickte verlegen einen Stein vor sich her, der mit einem dumpfen Platschen in einer Wasserlache landete. Dann sah er sie wieder an. «Aber gratulieren darf ich Euch doch dazu, Herrin? Ich meine, wenn Ihr wieder einen Mann habt, ist das eine gute Sache!»
    Marysa schüttelte den Kopf «Ich habe nicht gesagt, dass ich Leynhard heiraten werde.»
    «Nicht?»
    Irritiert sah sie zu Christophorus auf, dessen Augen einen merkwürdigen Ausdruck angenommen hatten. «Ihr wisst, warum ich es gesagt habe. Die Umstände …»
    «… sind jetzt anders?»
    Marysa richtete ihren Blick wieder nach vorn. «Ja. Nein.» Plötzlich ertrug sie seine Nähe nicht mehr. Sie beschleunigte ihren Schritt. «Ich habe wohl keine andere Wahl, Bruder Christophorus.»
    Christophorus blieb stehen und sah ihr nach, wie sie mit leicht gerafften Röcken den Wegesrand entlangstapfte. Ausgerechnet jetzt hallte in seinem Kopf erneut die Stimme seines Freundes Aldo: «Werde wieder du selbst!» War die Lösung wirklich so einfach? Er seufzte und setzte sich wieder in Bewegung.

32. KAPITEL
    Eine dreiviertel Stunde später hatte sich der böige Wind zur Sturmstärke gesteigert und die dunklen Wolken über den gesamten Himmel verteilt. Grauschwarz und tief hängend dräuten sie nun über dem Land und verhießen nichts Gutes.
    Milo blickte besorgt nach oben. «Es wird sicher bald schneien, Herrin. Wir müssen uns beeilen. Mist, meine Mutter hatte eigentlich gesagt, es würde ein paar Tage schön bleiben. Sie irrt sich sonst nie!»
    «Der Wind hat sich gedreht», sagte

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