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Der gläserne Schrein (German Edition)

Der gläserne Schrein (German Edition)

Titel: Der gläserne Schrein (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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entdecken. Achselzuckend begab er sich wieder ins Haus und suchte seine Schlafkammer auf.
***
    Zitternd vor Kälte, schälte sich Marysa aus ihrem Kleid und war froh um den Kamin, der ihre Kammer angenehm aufheizte. Sie hatte erst einige Zeit gebraucht, um mit ihren klammen Fingern die Öllampe an dem kleinen Licht im Gang zu entzünden. Jetzt wurde ihr recht schnell wieder warm, da sie das nasse Kleid los war. Ihr Unterkleid war zum Glück nur am Saum feucht geworden, sodass sie es anbehalten konnte und rasch unter ihre Decke schlüpfte. Das Leinenzeug roch angenehm nach getrocknetem Lavendel – diese Herberge war eindeutig eine gute Wahl gewesen.
    Es war noch früh am Abend, unter ihr in der Schankstube herrschte reges Treiben. Sie hörte Stimmen, Gelächter und sogar das Klappern von Bier- oder Weinkrügen, wenn diese zu heftig auf den Tischen abgestellt wurden. Der Sturm heulte nach wie vor ums Haus und verfing sich pfeifend im Schornstein.
    Versuchsweise schloss Marysa ihre Augen. Es war tatsächlich viel zu früh zum Schlafen. Also schlüpfte sie aus dem Bett und stellte fest, dass sie inzwischen wieder vollkommen aufgewärmt war. Rasch benutzte sie das Nachtgeschirr, verschloss es wieder und schob es unter das Bett zurück, dann löste sie ihr Haar aus der Haube und kämmte es mit den Fingern durch, so gut es ging.
    Die Wirtin hatte ihr eine Waschschüssel, Seife und Handtuch sowie einen großen Krug mit frischem Wasser hingestellt, also begann sie, sich ausgiebig zu waschen. Dazu zog sie auch ihr Unterkleid aus, fröstelte aber schon bald und schlüpfte wieder hinein.
    Unschlüssig, wie sie sich die Zeit vertreiben sollte, ging sie in der Kammer umher. An der Tür blieb sie kurz stehen und betrachtete den Riegel, den sie fest vorgelegt hatte. Eindringen würde hier niemand können, stellte sie fest. Wer sollte das auch wollen? Dieser falsche Bettler vielleicht? Nein, sie glaubte nicht, dass er es darauf anlegen würde. Wenn er nicht längst schon in Aachen war.
    Also nahm sie ihren Gang durch die Kammer wieder auf und blieb schließlich bei ihrem Kleid stehen, das an einem Haken neben ihrem Mantel hing und langsam trocknete. Aldos Brief fiel ihr wieder ein. Hatte sie ihn nicht am Morgen in ihre Gürteltasche gesteckt? Sie sah nach und hielt ihn erneut in Händen. Unschlüssig blickte sie darauf, schließlich setzte sie sich auf das Bett, zog die Decke über ihre Füße und begann, das Pergament zu entfalten.

33. KAPITEL
    «Habt Ihr das mitbekommen, Meister? Bruder Christophorus und die Witwe Markwardt sind hier.» Ludwig hatte mit seiner Frage gewartet, bis Hyldeshagen seinen Sohn hinüber in die Krone geschickt hatte, wo sie heute die Nacht verbringen würden.
    Hyldeshagen nickte mit finsterer Miene. «Möchte wissen, was sie hier zu suchen haben. Seltsamerweise ist dieser Dompfaffe auch hier. Ob sie mit dem etwas zu schaffen haben?» Sein Gesichtsausdruck verzerrte sich vom aufkeimenden Zorn. «Am Ende will das Weib ihn dazu bringen, dass er mich aus der Chorhalle werfen lässt. Sie hat die Dompfaffen ja weiß Gott allesamt um den kleinen Finger gewickelt, obwohl die sie vor nicht einmal zwei Jahren noch auf den Scheiterhaufen bringen wollten.» Er grunzte abfällig. «Hätten sie vielleicht besser getan – und ihre gesamte Sippschaft gleich mit dazu.»
    Ludwig zog vorsichtshalber den Kopf ein wenig ein, denn er kannte den Jähzorn seines Meisters nur zu gut. «Glaubt Ihr, sie wissen, dass Ihr …?»
    «Halt den Mund, du Idiot!», zischte Hyldeshagen. «Nichts wissen sie. Es gibt nichts zu wissen, verstehst du?»
    «Aber wenn doch», wagte Ludwig einzuwenden.
    «Dann finden wir es heraus.» Hyldeshagen funkelte ihn böse an. «Glaubst du, ich lasse mir von einem dahergelaufenen Weib meine Pläne durchkreuzen? Oder von diesem neunmalklugen Mönch?» Er schüttelte den Kopf, und auf seinen Lippen erschien ein hämisches Lächeln. «Ganz bestimmt nicht, Ludwig. Den Fehler mache ich nicht noch einmal.»

34. KAPITEL
    In Gedanken versunken, zog Christophorus das nasse Skapulier über den Kopf, schüttelte es aus und hängte es neben seinen Mantel. In dieser Kammer war es nicht ganz so warm wie in der, die Marysa bezogen hatte, der dicke Wollmantel war aber dennoch mittlerweile recht gut getrocknet. Sein Habit war lediglich an den Ärmeln nass geworden, trotzdem zog er es ebenfalls aus, hängte es an einen weiteren Haken, von denen es an der Wand eine ganze Reihe gab, und ging zu der Waschschüssel, die die

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