Der gläserne Wald
herab und rannte auf den immer noch einsam Wache haltenden Kaptin zu. Dieser fühlte sich nun doch genötigt, den Fürsten zu stören.
Geistesabwesend stieg Ämar aus der Sänfte, hörte sich den Bericht des Fragonreiters an und zwang sich schließlich zu einem Lächeln.
»Ich danke euch!« sagte er. »Ihr habt tapfer gekämpft!« Nach diesen Worten wandte er sich von dem betroffen dreinschauenden Fragonreiter ab, der im Siegesrausch die Gleichgültigkeit seines Fürsten nicht verstehen konnte.
Er blickte in die Nacht, wo verborgen am Ufer des tiefgrünen Meeres die weiße Stadt Zaina lag. Ein flüchtiger Gedanke galt auch Tolt, seinem Nachfolger, aber auch der war schon zu sehr Zukunft, um in diesem Augenblick bedeutend zu sein.
Da erstrahlte rings um die Stadt wie durch Zauberkraft eine Perlenkette, ein Bündel von Lichtern und hellen Streifen, die wie lange, schlanke Finger ins Schwarze hineintasteten und mit sprühenden Lichtkaskaden übergossen, was sie anrührten. Die Menschen auf dem Plateau drängten sich schweigend am Rand des Abgrunds und beobachteten staunend Zainas strahlenden Untergang. Sogar die Hohe Gemahlin verließ die Sänfte, setzte ihr Haar dem Sturm aus und trat neben den Fürsten.
Trotz der von den Fysithi entworfenen Zauberröhren ließen sich kaum Einzelheiten erkennen, denn wegen der großen Entfernung war viel zuviel Dunst zwischen der Stadt und dem Plateau, der das Bild trübte, und bald verwandelte sich Zaina in eine flackernde, wabernde Lohe aus Rauch, Staub und Flammen.
Nachdem sie lange Zeit dem Feuerwerk der Adaporianer zugeschaut hatten, hob der Fürst die rechte Hand und verkündete mit kräftiger Stimme:
»Bis auf drei Wachtposten verlassen wir jetzt Mo Pias. Die Gesandten meiner Brüder kehren nach Hause zurück und berichten, was sie gesehen haben. Alle Fragonführer öffnen nach Sonnenaufgang die versiegelten Befehlsrollen und tun das, was ihnen darin befohlen ist. Ich selbst werde mich mit meiner Gemahlin und der Leibwache zum Beerenwald von Ptolamära begeben und von dort aus den Oberbefehl führen, soweit das noch möglich und nötig sein wird. Ich werde den Wald nicht verlassen, was auch geschieht. Für den schlimmsten Fall habe ich einen Nachfolger bestimmt. Er heißt Tolt, ein Nägar-Priester, sein Kaptin ist der Zenturio tha Barga, beide befinden sich zur Zeit noch in Zaina und leiten dort den Widerstand gegen die Adaporianer.«
Als eine halbe Stunde später die erste Rakete der Adaporianer die Granitplatte von Mo Pias auseinandersprengte, tötete sie nur drei Posten und ein Fragon. Bis in die Nacht hinein hatte der erhitzte Fels eine Infrarotortung der großen Menschenansammlung auf Mo Pias verhindert, dann hatte die Bildauswertung so lange gedauert, dass der Fürst in Ruhe die Versammlung auflösen konnte.
Tha Barga streckte die Hand nach der Fackel aus, die der Soldat hinter ihm trug. Der Gang, den sie hinabgestiegen waren, endete hier an einer feuchten, aus Lehmziegeln errichteten Wand. Am Fuß der Mauer öffnete sich eine Röhre, in die das Wasser hineinsickerte, das klatschend von der Decke des Gewölbes auf den Steinboden tropfte. Tha Barga kniete in dem feuchten Moder, um in die Röhre hineinzuleuchten, aber das Licht der Fackel reichte nicht weit. Die Röhre war aus etwa handgroßen Ziegelsteinen gemauert und hatte ein leichtes Gefälle.
»Alle Lanzen hier in die Ecke!« befahl der Zenturio. Kurz entschlossen begann er in das Rohr hineinzukriechen und schob die stark rußende Harzfackel in der rechten Hand vor sich her. Der beißende Rauch, der in der Enge nicht abziehen konnte, trieb ihm Tränen in die Augen, während ihn das Licht der Fackel unmittelbar vor seinem Kopf so blendete, dass er kaum etwas zu sehen vermochte. Auf Händen und Knien rutschte er über die schleimigen Ziegel und merkte, dass er erbärmlich fror. Hinter ihm fluchten halblaut die Soldaten. Ihm war auch danach zumute. Verbissen kroch er weiter. Ratten huschten davon, vom Licht der Fackel aufgescheucht. Da blitzte weit vorn etwas Helles, das den flackernden Schein der Fackel reflektierte. Tha Barga hielt inne und hob die Fackel an die Decke, um nicht durch ihr Licht und den Qualm behindert zu sein.
Plötzlich traf ihn ein heftiger Schlag, als habe ein ungeheurer Knüppel die Röhre zerschmettert. Der schmierige Boden stürzte ihm entgegen und traf ihn auf Stirn und Nase, und wie sich der Schmerz ins Gehirn bohrte, überfiel ihn panische Angst, dass er tief unter der Erde von
Weitere Kostenlose Bücher