Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
belasten wollen. Auch wenn es manchmal schwer zu ertragen war, wollte er lieber ihre Freundschaft haben als gar nichts. Er würde es niemals wagen, ihr zu sagen, was er wirklich für sie empfand, mehr um ihretwillen als wegen irgendetwas sonst. Er wollte sie nicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Seine Gefühle für Amber waren für seine Ehe mit Lydia keine Bedrohung. Schließlich hatte er Amber zuerst geliebt.
Seine Töchter liebte er von ganzem Herzen, doch wenn Lydia ihn beschuldigte, dass er sie nicht liebte, versetzten seine Schuldgefühle ihm einen Stich. Er hatte seine Frau lieben wollen, doch Lydias Wesen machte es ihnen so schwer, eine echte Beziehung zueinander aufzubauen. Sie hatten keine gemeinsamen Interessen, Lydia beschwerte sich unablässig über die Tatsache, dass Jay, der doch ein de Vries war, »nur« Gutsverwalter war, und Jay hegte den Verdacht, dass Cassandra das Ganze noch anheizte. Wenn sie mit seiner Cousine zusammen gewesen war, war Lydia immer besonders gereizt und aufgebracht.
Jay wusste, dass er sich bezüglich Lydias Freundschaft mit Cassandra nie ganz entspannen konnte. Er wollte seiner Frau nicht vorschreiben, mit wem sie Umgang hatte, doch er konnte weder Cassandras Verhältnis mit Caroline Fitton Legh vergessen, noch konnte er sich vorstellen, mit Lydia über Cassandras Liebe zu Caroline zu sprechen. Sie hatten einfach nicht die Art von ehelicher Beziehung, in der eine solche Vertrautheit möglich war.
Oberflächlich betrachtet, war Cassandras Freundschaft mit Lydia schlicht die einer verheirateten Frau mit einer anderen. Er hatte keine Ahnung, ob Cassandra ihre Gefühle für Caroline übertrieben hatte, ob sie nur eine Verirrung gewesen waren – schließlich war sie inzwischen seit mehreren Jahren mit Lord Fitton Legh verheiratet – oder ob ihre Freundschaft zu Lydia ebenfalls ein tieferes Gefühl verschleierte. Cassandra konnte er das auf keinen Fall fragen.
Alles, worauf er hoffen konnte, war, dass Lydia ihr seelisches Gleichgewicht wiederfand.
Die Seide war genau so, wie Amber gehofft hatte, die Farben glühten wie Edelsteine in den Emblemen, an denen sie Stunden gearbeitet hatte, um sie sorgfältig in das Design einzufügen: goldene Granatäpfel aus Roberts herzoglichem Familienwappen wechselten sich ab mit Rad schlagenden Pfauen, Pfauenblau mischte sich mit Jadegrün vor einem Hintergrund in kräftigem Karmesinrot und blassem Perlweiß. Ihre Schönheit trieb Amber Tränen in die Augen.
»Sie ist perfekt«, sagte sie zu Maurice Westley, sobald sie ihre Stimme so weit unter Kontrolle hatte, dass sie wieder zu sprechen wagte. »Sie wird im königlichen Schlafzimmer in den Prunkräumen zum Einsatz kommen. Die Tagesdecke wird gesteppt, und die Pfauen werden mit Reliefstichen in Gold hervorgehoben. Die Bettvorhänge werden mit Goldgewebe gefüttert, und der Vorhang hinter dem Kopfende des Bettes wird mit dem Familienwappen bestickt.«
»Hat er Ihnen schon erzählt, dass er zum Fußballfan geworden ist?«, fragte Maurice Westley Amber, nachdem sie besprochen hatten, wie viel Stoff angefertigt werden musste, und grinste in Jays Richtung. Jay lachte und erklärte Amber kleinlaut: »Erinnerst du dich noch an Geoff Stanley von Alderley Edge? Sein Großvater war einer von denen, die das Geld für die Eisenbahn aufgebracht haben.«
»Ja, sicher«, sagte Amber. »Ihr wart zusammen in Eton.«
»Also, sein Großvater besaß Anteile an einer der Fußballmannschaften von Manchester, und um es kurz zu machen, Geoff und sein Cousin Ronald haben die Fußballaktien ihres Großvaters geerbt, als er starb. Geoff hat mich überredet, mit zu einem Spiel zu gehen. Er träumt davon, dass es die Mannschaft in die erste Liga schafft. Er hat ihnen einen neuen Namen gegeben, Hermes Stanley. Das soll sie ein wenig schneller machen, als wenn er sie so etwas wie die Rovers getauft hätte.«
Amber lachte. »Und, haben sie Flügel an den Fersen?«
»Soweit ich sehen konnte, nicht, obwohl die Fans sie schon die Stanley Wingers nennen.«
Sie hatte vergessen, wie leicht es war, sich mit Jay zu unterhalten, und wie wohl sie sich in seiner Gegenwart fühlte. Vielleicht war doch etwas an Louises altem Spott, dass sie ein Fabrikmädchen aus Macclesfield war. Nach der frenetischen Welt der Londoner Gesellschaft war es wie ein frischer Atemzug hierherzukommen.
Maurice Westleys Assistent klopfte an die offene Tür und sagte: »Mr Lees-Milne ist da.«
»Jim, wie schön, dich wiederzusehen«,
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