Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
ihn klammern, doch Greg schob sie so heftig von sich, dass sie zu Boden stürzte.
»Steh auf, zum Teufel mit dir«, sagte er, und als sie sich nicht rührte, holte er zum Schlag aus. »Steh auf und verschwinde aus meinem Leben.«
Dieser verdammte Lionel! Hatte er doch tatsächlich versucht, ihm die Chancen bei Lucy zu vermasseln. Nun, die Sache hätte er bald wieder eingerenkt. Alle Männer hatten schließlich Mätressen. Ihre Tante würde ihr das schon erklären. Und er konnte ein großes Tamtam wegen Amber machen und dafür sorgen, dass Lucy bei Hofe vorgestellt wurde.
Heftig schwitzend, wandte sich Greg wieder zum Club zurück, doch ein uniformierter Türsteher verwehrte ihm den Eingang.
»Was zum Teufel …«, brauste er auf. »Ich bin Mitglied hier, lassen Sie mich gefälligst rein.«
Doch er wurde nicht eingelassen. Er musste erst nach dem Vorgesetzten fragen und dann über eine halbe Stunde Däumchen drehen, bevor ein verärgerter, rotgesichtiger pensionierter General auftauchte und ihm brüsk erklärte, seine Mitgliedschaft sei hiermit beendet.
»Warum, zum Teufel?«, brüllte Greg. »Verflixt noch mal, ich bin doch nicht der einzige Mann in Hongkong, der sich eine Geliebte hält!«
»Sie kennen die Regeln des Clubs: keine Chinesen. Meine Güte, Mann, Ihnen muss doch klar sein, wie sehr Sie unsere Damen mit Ihrem Benehmen beleidigt haben!«
Damit verschwand der General. Außer sich vor Zorn, trat Greg unter den Augen des Türstehers ohnmächtig gegen das Tor.
Amber lächelte liebevoll, während sie und Luc Mau-Mau spielten. Er war so ein süßer Junge, und sie würde ihn sehr vermissen, wenn er im Internat war. Aber wenigstens würde sie ihren Laden bekommen – hoffte sie.
Sie hatte Luc an jenem Morgen mit in die Walton Street genommen und hatte mit einem Ohr seinem Geplapper zugehört, während sie sich ihren Tagträumen hingegeben hatte.
Robert war – mit Otto – verreist, ein spontaner Abstecher nach Paris, weil es Otto so gut dort gefallen hatte, dass er noch einmal hinwollte. Und Robert war aufgebrochen, ohne ihr eine abschließende Antwort zu geben.
Der Makler hatte sie gewarnt, er könne das Haus in der Walton Street nicht unbegrenzt für sie reservieren, und am Vortag hatte Amber beschlossen, es zu kaufen, statt das Risiko einzugehen, es zu verlieren. Grundbesitz war schließlich immer eine gute Investition, hatte sie ihr schlechtes Gewissen beruhigt, weil sie es ohne Roberts Einverständnis gekauft hatte.
Glücklicherweise verfügte sie über genügend eigenes Geld, um das Haus zu bezahlen, denn Robert gestand ihr ein sehr großzügiges vierteljährliches Taschengeld zu, das sie nie ganz aufbrauchte.
Den Papierkram hatte sie in die Hände von Roberts Anwalt gelegt und hatte die Bank von ihrem Kauf verständigt, doch nach allem, was der Anwalt sagte, war der Makler vollkommen ehrbar, sodass alles glattgehen sollte.
»Mummy, ich hätte wirklich gern einen Hund«, sagte Luc und lächelte sie schmeichelnd an.
Lachend strich Amber ihm das Haar aus dem Gesicht. Seit Luc im Hyde Park ein anderes Kind mit einem Hund gesehen hatte, bettelte er um einen eigenen.
»Wir müssen erst hören, was dein Vater dazu sagt«, meinte sie und umarmte ihn. In Gedanken notierte sie sich, ein Wort mit dem Wildhüter in Osterby zu wechseln, damit er einen geeigneten Welpen aussuchte.
Er klang schon so erwachsen und war doch in Wirklichkeit noch ein kleiner Junge, ihr Baby. Amber verspürte einen scharfen Schmerz, und sie hielt Luc fest und küsste ihn auf den Scheitel. Sein Haar war dunkel wie Roberts, und er trug es immer noch in üppigen Babylocken. Seine kleinen Eigenheiten spiegelten die von Robert so deutlich wider, dass niemand auf die Idee kam, er könnte nicht sein Kind sein. Aber sie wusste es natürlich, und manchmal weckte ihre Schuld Angst in ihr.
»Wann kommt Daddy wieder?«, fragte Luc.
»Bald.«
Normalerweise schrieb Robert jeden Tag, wenn er unterwegs war, und seine Briefe waren unterhaltsam und ausführlich, wenn auch manchmal voll skandalöser Klatschgeschichten, aber diesmal hatte sie kaum von ihm gehört, und wenn, dann nur einige knappe Zeilen.
Aber auch wenn sie nichts von ihm gehört hatte, so hatte sie doch etwas über ihn gehört.
Amber gab Luc frei und trat ans Fenster. Sie und Luc waren erst Anfang der Woche von Osterby ins Haus am Eaton Square zurückgekehrt, doch sie hatte schon zahlreiche Besucher empfangen, die alle etwas über Roberts Ergebenheit für seinen jungen
Weitere Kostenlose Bücher