Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
der Botschaft eingeladen sind, und morgen findet dort ein Maskenball statt, und danach gibt Daisy Fellowes eine Party. Ach, beinahe hätte ich es vergessen. Das errätst du nie! Weißt du noch, Jean-Philippe, der im Gästehaus der Villa gewohnt hat, wo wir damals mit meiner Mutter Urlaub gemacht haben?«
Mit Mühe gab Amber sich unbeteiligt, als sie nickte, doch sie sagte lieber nichts, weil sie befürchtete, ihre Stimme könnte sie verraten.
»Also, seine Gemälde sind hier in Paris momentan der letzte Schrei, und Alistair hat erwähnt, dass er ihn bei irgendeinem Herrenabend gesehen hat. Ach, und am Wochenende habe ich Robert gesehen, mit seinem charmanten jungen Protegé. Sie waren mit dem deutschen Botschafter unterwegs. Fahrt ihr eigentlich nächstes Jahr zu den Olympischen Spielen nach Deutschland? Alistair findet, wir sollten hinfahren, aber er hält nichts davon, dass sie in Deutschland stattfinden, bei all dem Antisemitismus dort.«
»An die Olympiade hatte ich noch gar nicht gedacht«, sagte Amber, nur zu froh, dass Beth nicht mehr über Jean-Philippe redete. Bei dem Gedanken, dass er hier in Paris war, begann ihr Herz unbehaglich zu pochen. Nicht, weil sie ihn sehen wollte, im Gegenteil – das war so ziemlich das Allerletzte, was sie sich wünschte. Sie hasste es, an ihre Vergangenheit erinnert zu werden. Außerdem gab es für sie im Augenblick Wichtigeres als die Romanze eines dummen jungen Mädchens. Sie würde erst zur Ruhe kommen, wenn sie Robert gesehen und herausgefunden hatte, wie es ihm ging. Ihr Ehemann und ihr Sohn waren ihr inzwischen sehr viel wichtiger als Jean-Phi lippe.
»Es tut mir leid, Amber, aber eigentlich wäre es mir lieber gewesen, wenn du nicht nach Paris gekommen wärst.«
Entsetzt sah Amber ihren Mann an. Sie saßen in der Bar des George V. und tranken Cocktails; das heißt, Robert kippte einen nach dem anderen in sich hinein, während sie in ihrem nur herumrührte, weil sie zu nervös war, um ihn zu trinken.
Sie war erschrocken und bestürzt gewesen, als sie gesehen hatte, wie dünn Robert geworden war und wie schlecht er aussah. Auf der einen Wange hatte er eine Schramme, die angeblich davon herrührte, dass er aus Versehen in eine offen stehende Tür hineingelaufen war. Doch was sie vor allem schockierte, war seine Haltung ihr gegenüber, die entschieden feindselig und aufgebracht war.
Sie hatte ursprünglich nicht vorgehabt, die sorgenvollen Kommentare seiner Freunde zu erwähnen, aber als sie sich nun seinem Zorn ausgesetzt sah, sie in Paris zu sehen, fand Amber, dass ihr keine Wahl blieb.
»Warum sagst du das?«, fragte sie ruhig. »Es gibt schließlich keinen Grund, warum ich nicht hier sein sollte, oder? Und von allem anderen abgesehen, vermisst Luc dich. So lange wie jetzt hast du uns noch nie allein gelassen.« Sie beugte sich vor und meinte sanft: »Deine Freunde machen sich Sorgen um dich, Robert. Piers hat mich in London extra aufgesucht, um mir zu sagen, wie beunruhigt er deinetwegen ist.«
Robert hatte einen weiteren Cocktail bestellt. Amber sah, wie seine Hand zitterte, als er das Glas hob.
»Piers? Na, was ist von ihm auch anderes zu erwarten? Er ist natürlich eifersüchtig. Er erträgt es nicht, dass ich mit Otto glücklich bin.«
»Glücklich siehst du aber nicht aus.«
»Bin ich aber. Überglücklich. Ich liebe Otto mehr, als ich mir je vorgestellt habe, jemanden lieben zu können. Er bedeutet mir alles, Amber. Alles. So habe ich noch nie empfunden. Ihn zu lieben heißt reinste Ekstase und tiefste Qual.« Roberts Augen füllten sich mit Tränen. »Der arme Junge, meine Liebe lastet schwer auf ihm, und manchmal erträgt er sie kaum. Er sagt zwar nichts, aber ich sehe es doch. Er lehnt sich dagegen auf und ist unfreundlich zu mir. Aber dafür kann er nichts, er ist noch so jung, Amber. Ich will nur noch mit ihm zusammen sein, aber er braucht auch die Gesellschaft anderer. Ich verstehe das und kann es akzeptieren. Aber ich muss zur Stelle sein, wenn er bereit ist, sich mir zuzuwenden, Amber, das musst du begreifen.«
Ambers Unruhe wuchs mit jedem Wort. Doch ihre Sorge galt nicht ihr selbst oder gar ihrer Ehe, sondern allein Robert. Ihr Herz blutete für ihn und die Art, wie er sich aus Liebe zu einem jungen Mann erniedrigte, der seine Leidenschaft vermutlich nicht teilte und seine Liebe nicht erwiderte.
»Du bist immer noch mein Ehemann, Robert«, erinnerte sie ihn sanft. »Und Lucs Vater.«
»Ich möchte, dass du heimfährst, Amber. Ich will
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