Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
Freund zu sagen gehabt hatten.
»Du kennst doch Robert«, hatte sie lächelnd zu einem seiner besten Freunde gesagt, Piers Whitethorne.
»Der Meinung war ich bisher auch«, hatte Piers zugestimmt, »aber seine Freundschaft mit einem gewissen jungen Deutschen hat ihn, fürchte ich, verändert.« Als Amber nichts sagte, hatte er brüsk hinzugefügt: »Ich kann mir vorstellen, was du denkst.«
Piers war einige Jahre älter als Robert. Sie waren einmal ein Liebespaar gewesen, und Amber hatte den Verdacht, dass Piers Robert immer noch liebte und begehrte.
»Und ja, du hast recht, was meine Gefühle für Robert angeht, aber ich habe immer gewusst, dass er nicht anders kann, als sich ständig neu zu verlieben, weil er die damit verbundene Aufregung braucht. Aber das hier ist etwas anderes.«
»Inwiefern?«, hatte Amber gefragt. Allmählich begann sie sich Sorgen zu machen.
»Robert ist irgendwie nicht mehr er selbst. Er meidet seine alten Freunde und hat sich anscheinend mit einer neuen Clique eingelassen. Und es sieht so aus, als würde er ziemlich viel trinken. Der Eindruck drängt sich auf, dass dabei nichts Gutes herauskommt. Vielleicht wäre es nicht schlecht, wenn du ihm nach Paris nachfährst.«
»Ich kann doch nicht einfach so in Paris auftauchen, ohne Grund.«
»Kleider«, erwiderte Piers kurz und bündig. »Eine Dame braucht immer neue Kleider.« Als sie ihre Überraschung über diesen Vorschlag nicht verbergen konnte, fügte er reuig hinzu: »Ich habe immer gefunden, dass Robert verdammtes Glück hat, mit dir verheiratet zu sein.«
Piers war nicht der Einzige, der seiner Sorge um Robert Ausdruck verlieh. Mehrere Freunde hatten Kommentare oder subtile Warnungen geäußert, als sie nach London zurückgekehrt war, zu viele, um sie zu ignorieren. Sie reichten von der diskreten Klage alter Freunde, er sei für seine Freunde heutzutage wohl zu beschäftigt, zu der weitaus direkteren Bemerkung seitens seiner noch älteren Freunde – jener Clique um Cecil Beaton und James Lees-Milne -, sie hätten das Gefühl, Roberts Beziehung mit Otto hätte ihren Freund verändert, und zwar nicht zu seinem Vorteil. Roberts allerälteste Freunde urteilten übereinstimmend, er sei vollkommen vernarrt in Otto und wolle einfach niemand anderen mehr sehen.
Diese Befürchtungen hatten Amber natürlich in Alarmbereitschaft versetzt, und nun schlug Piers vor, sie sollte um Roberts willen nach Paris fahren und ihn an seine Verpflichtungen ihr und Luc gegenüber erinnern.
Amber gefiel die Vorstellung nicht, jemanden so zu manipulieren, vor allem nicht Robert, doch am Ende brauchte sie gar keinen Vorwand, um nach Paris zu fahren. Am nächsten Morgen bekam sie einen Brief von Beth, in dem ihre Freundin sie bat, sie in Paris zu besuchen.
Wir werden den ganzen Winter im Haus von Alistairs Eltern in der Rue de Poitiers wohnen, Amber, da Alistair vom britischen Botschafter gerufen wurde, damit er ihn inoffiziell in verschiedenen Angelegenheiten unterstützt. Das Haus ist riesig, und da Alistair viel Zeit in der Botschaft verbringen wird, hoffe ich verzweifelt auf die Gesellschaft meiner liebsten Freundin.
Beth hatte schon immer eine Schwäche für blumige Formulierungen gehabt, doch ihre Einladung kam Amber so gelegen, dass sie postwendend zurückschrieb und zusagte. Luc war entzückt, als er erfuhr, dass er mit Beths Kindern, die für ihn so etwas wie Cousinen und Cousins waren, im Kindertrakt wohnen würde.
Amber schrieb auch an Robert, der im George V. abgestiegen war, um ihn sowohl von ihren Reiseplänen als auch vom Kauf des Ladens in der Walton Street in Kenntnis zu setzen. Den Brief hielt sie allerdings zurück, bis sie in den Reisezug nach Calais stiegen.
»Du wirst es nicht glauben, wie viele Amerikaner sich hier in Paris aufhalten, Amber, und alle klagen darüber, dass sie beim Börsenkrach einen Haufen Geld verloren haben, und trotzdem können sie noch Gäste einladen und die extravagantesten Partys geben.«
Amber verbarg ihre Belustigung über die Mischung aus Missbilligung und Neid in Beths Stimme.
Sie saßen in dem eleganten Salon im Erdgeschoss des im Stil Ludwigs XIV. ausgestatteten Hauses in der Rue de Poitiers. Amber war vor gerade mal einer Stunde eingetroffen. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass Luc im Kindertrakt bei Beths Kindern gut untergebracht war, lauschte sie nun Beths neuesten Klatschnachrichten aus der Pariser Gesellschaft.
»Ah, das erinnert mich daran, dass wir heute Abend zum Dinner in
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