Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
jetzt bluteten sie ab und zu noch ein wenig und schmerzten.
Der König kam mehrere Minuten nach den Kents, lächelte freundlich und gab Prinzessin Marina einen Kuss, nachdem sie sich aus ihrem Hofknicks erhoben hatte. Dann wurde verkündet, das Abendessen sei angerichtet.
In dem Augenblick, da sich die Türen zum Speisezimmer auftaten, reagierten die, die den spektakulär renovierten Raum im Gegensatz zu Amber noch nicht gesehen hatten, mit einem, wie Chips es formulierte, erfreulich ehrfürchtigen Schweigen.
Das neue Speisezimmer war gewiss sehr anders und prächtig, aber, wie Robert sarkastisch bemerkt hatte, als er es zum ersten Mal betreten hatte, kein bisschen britisch.
Die Channons hatten ihr Speisezimmer im Rokokostil des Jagdschlösschens Amalienburg im Nymphenburger Schlosspark in München ausstatten lassen, hellblau gestrichen und mit vielen Spiegeln, und Amber fand es sehr hübsch, wenn auch ein wenig überladen.
Als sie hineingingen, eilte Honor Channon an Amber vorbei und erklärte, dass Emerald Cunard, die neben dem König hätte sitzen sollen, noch nicht da sei.
»Die arme Honor«, sagte Diana Cooper mitfühlend zu Amber. »Diese angeblich so zwanglosen königlichen Dinnergesellschaften sind schrecklich anstrengend.«
Aufgrund von Edwards Anwesenheit trugen natürlich alle formelle Hoftrauer, die Männer schwarze Westen und weiße Krawatten und die Frauen dunkle Kleider. Edward selbst trug eine schwarze Weste und viereckige Diamant-Manschettenknöpfe, die bei jeder Bewegung im Licht funkelten.
Wallis Simpson trug ein dezent schlichtes schwarzes Kleid, doch an ihrem Schmuck war nichts dezent oder schlicht.
»Der König überhäuft Wallis mit Schmuck«, sagte Diana Cooper zu Amber. »Er entwirft ihn eigenhändig für sie, wissen Sie. Oh, wie schön, Philip Sassoon ist hier!«, wechselte sie das Thema. »Kennen Sie ihn, Amber? Er ist sehr charmant.«
»Ihm bin ich noch nicht begegnet, aber ich kenne seine Schwester, die Marquise von Cholmondeley.«
»Oh, eine entzückende Person, nicht wahr?«, schwärmte Diana. »Sie fungiert oft als Philips Gastgeberin, wenn er in Lympne Gäste empfängt. Als Jude ist Philip natürlich entschieden gegen Hitler, was man ihm nicht verdenken kann. Duff sagt, aus Deutschland hört man die schrecklichsten Geschichten über die Behandlung der Juden. Ich finde, die Regierung sollte auch bald etwas gegen Oswald Mosley und seine Schwarzhemden unternehmen.«
Amber nickte. Sie teilte Dianas Ansichten.
Das Essen war köstlich, doch Amber fiel auf, dass Robert kaum etwas aß.
Beim Rindfleisch fragte Amber Duff, ob er glaube, es könne tatsächlich zum Krieg gegen Deutschland kommen.
»Hoffentlich nicht«, antwortete er, »aber es wäre töricht, das Risiko kleinzureden. Die Deutschen machen sehr viel Lärm bei dem Versuch, die Vorgänge in ihrem Land zu rechtfertigen. Sie wollen ihre verlorenen Kolonien zurückhaben, doch selbst wenn man sie ihnen zuspräche, bezweifle ich, dass sie Ruhe geben würden.«
Amber schauderte leicht. »Es kommt mir so schrecklich vor, dass wir schon wieder über Krieg nachdenken.«
»Ja, in der Tat«, stimmte Duff ihr ernst zu.
Jede Familie hatte schreckliche Geschichten zu erzählen von jungen Männern und jungen Leben, die in dem entsetzlichen Krieg von 1914 verloren oder zerstört worden waren. Diese Verluste hatten einen Schatten über das ganze Land geworfen. Ambers Großmutter und Jays Großvater hatten beide ihren einzigen Sohn verloren, und solche Verluste waren eher die Norm gewesen denn die Ausnahme. Angesichts dessen schien es undenkbar, dass es einen neuen Krieg geben sollte, doch manchmal musste man sich dem Undenkbaren stellen.
Das Mahl war vorüber. Die Damen standen auf und knicksten vor dem König, bevor sie die Gentlemen ihrem Portwein überließen.
Oben im Salon hörte Amber dem allgemeinen Gespräch zu. Da Diana Cooper, Honor Channon und Prinzessin Marina alle kleine Söhne hatten, ließ sie sich in ihr Gespräch hineinziehen. Sie horchte auf, als die Prinzessin bemerkte, sie habe wunderbare Dinge über Ambers prächtige seidene Möbelstoffe gehört und würde gerne ihren Rat einholen.
Amber lächelte und sagte, sie wäre ihr gerne behilflich, doch innerlich mahnte sie sich zur Vorsicht. Auf der einen Seite würde es ihrem Laden helfen, die Prinzessin zur Kundin zu haben, doch auf der anderen Seite erwartete die Prinzessin als Gegenleistung für ihre Gönnerschaft vielleicht, dass Amber ihr die Stoffe zum Geschenk
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