Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
die Stimme, und Amber sah die trostlose Verzweiflung in seinen Augen.
»Robert, du wirst geliebt, und zwar sehr, von deinen Freunden und von denen, denen etwas an dir liegt.«
»Aber nicht von dem, nach dessen Liebe ich mich immer sehnen werde.«
Amber warf ihrem Mann einen besorgten Blick zu. Sie hatte gehofft, dass Robert allmählich über seine Liebe zu Otto hinwegkam, doch offensichtlich hatte sie sich getäuscht.
»Oh, habe ich dir erzählt, dass von Ribbentrop uns zusammen mit den Channons zu den Olympischen Sommerspielen eingeladen hat?«, fragte Robert, indem er bewusst das Thema wechselte.
Der deutsche Botschafter und seine Frau waren ebenfalls bei der Dinnerparty der Channons zu Gast gewesen, doch Amber hatte nicht persönlich mit ihnen gesprochen.
»Viele Menschen meinen, es wäre nicht richtig, dort hinzufahren.«
»Der König zieht es auch in Erwägung«, sagte Robert, »und es gibt wirklich keinen Grund, die Einladung auszuschlagen. Nach allem, was man hört, wird es eine prächtige Sache.«
»Und bietet Deutschland wieder einmal Gelegenheit, der Welt seine wachsende militärische Macht vor Augen zu führen«, erklärte Amber bitter.
»Ja, da hast du wohl recht, aber wenn es so ist, ist es dann nicht besser und klüger, sich den Tatsachen zu stellen und sich aus erster Hand ein Bild zu machen, statt sich abzuwenden und so zu tun, als gäbe es das alles nicht? Hitler ist nicht ohne Freunde, Amber, selbst in diesem Land.«
»Ich glaube, das ist uns allen bewusst.«
Es quälte Amber, dass Robert, der so gegen Hitler gewesen war, jetzt eine moderatere Haltung einzunehmen schien, besonders da sie sich inzwischen immer mehr Sorgen machte, dass Deutschlands aggressive Politik zu einem neuen Krieg führen könnte.
Luc war enttäuscht, als er erfuhr, dass Amber ohne ihn nach Denham Place fahren wollte, doch seine Miene hellte sich auf, als Amber ihm mitteilte, er werde mit seinem Vater wie geplant nach Osterby fahren.
»Dann kann ich Bruno sehen«, sagte er glücklich.
Er hätte den Welpen nach Weihnachten am liebsten mit nach London genommen, doch Robert war hart geblieben und hatte ihm erklärt, Bruno würde sich in Osterby sehr viel wohler fühlen.
»Ich schreibe dir, Mummy, und erzähle dir, was für neue Tricks er gelernt hat«, verkündete Luc mit wichtiger Miene.
Amber schlang die Arme um ihn und schmiegte das Kinn auf seinen dunklen Schopf. Er war ihr so kostbar. Sie konnte nur darüber staunen, dass das Schicksal ihr so ein besonderes Kind geschenkt hatte. Wenn sie ihn anschaute, war alles, was sie sah, Luc selbst, mit seiner ganz besonderen kleinen Persönlichkeit. Als sie zum ersten Mal seine lustigen Strichmännchen gesehen hatte – kindlich noch und ungeformt, aber schon so vielversprechend, dass sie schuldbewusst an Jean-Philippe hatte denken müssen -, hatte sie sich Sorgen gemacht, doch dann hatte sie derartige Gedanken verbannt und sich entschlossen gesagt, wenn Luc Talent zum Zeichnen besaß, dann hatte er es natürlich von ihr geerbt, genau wie sie von ihrem Vater.
Sooft sie an Caroline Fitton Legh und an Louise dachte, die sich inzwischen jedem Mann an den Hals warf, der es sich leisten konnte, sie zu seiner Geliebten zu machen, spürte sie den Schmerz in ihrem Innern messerscharf. Das Einzige, was sie davor bewahrt hatte, das Schicksal der einen oder der anderen zu teilen, war Roberts Bedürfnis nach einer Frau gewesen, die verstand, wie es um ihn bestellt war. Sie hatte zwar auf persönliches Glück verzichten müssen, doch das war nichts im Vergleich zu der Freude, die Luc in ihr Leben brachte. Als sie ins Automobil stieg, um zum Bahnhof zu fahren, warf sie einen letzten Blick zum Haus zurück, hinauf zu dem Fenster, wo Luc stand und ihr nachwinkte.
»Aber Jay, ich will, dass du hier bei mir bleibst.«
»Du weißt, dass das nicht geht, Lydia.«
»Wenn du mich lieben würdest, würdest du hierbleiben. Aber du bist ja lieber in Denham Place als bei mir.«
Sie waren im Schlafzimmer. Lydia verließ es nur noch selten, allenfalls, um mit Cassandra auszugehen. Jay wünschte, sie würde mehr Zeit unten verbringen. Die ängstlichen Mienen, mit denen seine Töchter auf Zehenspitzen durchs Haus schlichen, »weil die Krankenschwester gesagt hat, Mummy geht es nicht gut«, gefielen ihm ganz und gar nicht. Doch was wollte er machen? Lydias Arzt hielt es für unbedingt erforderlich, dass sie so viel Ruhe wie möglich bekam.
»Du liebst mich nicht mehr, oder?« Ihre Stimme
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