Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
gerne eine bessere Nachricht überbracht. »Seinen Berichten entnehme ich, dass er sich die Krankheit erst nach Roses Geburt zugezogen hat und sich nicht bei ihrer Mutter angesteckt hat, sodass sie nicht betroffen ist.«
»Soll ich dafür auch noch dankbar sein? Sie bedeutet mir nichts, ein ungewollter Bastard. Greg ist mein Enkel.« Das war das Höchste an Gefühlsaufwallung, was Blanche sich erlaubte. »Es muss doch etwas geben, irgendeine Behandlung.«
»Die gibt es leider nicht, ich würde lügen, wenn ich etwas anderes behaupten würde. Es gibt bereits erste körperliche Verfallserscheinungen, die typisch dafür sind – dadurch bin ich ja überhaupt erst darauf aufmerksam geworden.«
Blanche atmete tief durch und sah den Arzt an. »Er ist opiumabhängig … Könnte es nicht sein, dass Sie sich irren und dass das der Grund für seinen Zustand ist?«
Bei seiner Rückkehr nach Hause hatte sie sich alle Mühe gegeben, die Zeichen für Gregs Opiumabhängigkeit zu ignorieren, doch nach dem Vorfall, bei dem Luc zufällig mit angesehen hatte, wie Greg sich alles für den Drogenkonsum bereitgelegt hatte, hatte Blanche sich die Wahrheit schließlich eingestanden. Sie hatte gedacht, sie wüsste nun das Schlimmste über ihren Enkel, doch wenn Dr. Brookes recht hatte, dann hatte sie sich getäuscht. Wie war es nur möglich, dass ihr geliebter Sohn jemanden wie Greg in die Welt gesetzt hatte?
»Nein«, sagte Dr. Brookes und störte sie unabsichtlich aus ihren verzweifelten Gedanken auf. »Es tut mir sehr leid.«
Nicht annähernd so leid wie mir, dachte Blanche müde, nachdem der Arzt sich verabschiedet hatte.
Warum war Greg so dumm und so leichtsinnig gewesen? Ambers Ehe mit Robert hätte Greg so viele Türen öffnen können, und mit Blanches Geld hätte er ein großartiger Politiker werden können, ja, selbst Premierminister, wenn er das gewollt hätte.
Stattdessen würde er wahnsinnig werden und sterben und einen illegitimen Mischling hinterlassen. Barrant würde sich auf die Schenkel klopfen vor Lachen.
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»Und, Mummy, schau dir das Bild an, das ich da male. Es wird genau wie das, was Monsieur Picasso mir gegeben hat.«
Gehorsam schaute Amber auf die Zeichnung, die Luc ihr hinhielt. Das Blatt war, wie seine Hände, völlig mit Zeichenkohle verschmiert. Sie hatten einen herrlichen Tag in Mougins verbracht.
Man Ray, mit dem Cecil verabredet gewesen war, hatte sie dem Maler vorgestellt, und Picasso war leutseliger Stimmung gewesen und hatte sie eingeladen, mit ihm in seinem Lieblingscafé zu Mittag zu essen.
Am Ende waren Cecil und Amber ohne Robert in das mittelalterliche Städtchen gefahren. Das deutsche Oberkommando billigte gewisse moderne Künstler nicht, deren Werk – und Lebensstil – es als dekadent erachtete, und so sah sich Otto nicht in der Lage, sie zu begleiten, was wiederum hieß, dass auch Robert nicht hatte mitkommen wollen.
Amber hatte sich Sorgen wegen Luc gemacht, falls Jean-Philippe womöglich auch dort war, aber sie hatte ihrem Sohn den Ausflug versprochen gehabt, und zu ihrer Erleichterung war von ihrem ehemaligen Geliebten nichts zu sehen.
Am Ende verlebten sie einen herrlichen Tag, in dessen Verlauf Amber den Künstlern im Café beim Plaudern zuhören konnte, was für sie berauschender war als der beste Wein.
Man Ray hatte sie alle fotografiert, und dann hatte Cecil, der sich nicht übertrumpfen lassen wollte, ebenfalls Bilder gemacht. Unter lachendem Protest hatte Amber zugelassen, dass sie und Luc ihm für zahlreiche Fotos Modell standen: von der Seite, einander zulächelnd, sie an Lucs Hand, beide Eis essend, und in Ambers Lieblingspose, Luc zu ihren Füßen sitzend, während sein Arm auf ihrem Schoß ruhte und er zu ihr auflächelte.
»Lauf lieber nach oben und bitte das Kindermädchen, dir die Hände zu waschen, Liebling. Wir gehen bald aus.«
Heute wollten sie und Luc mit Beth und deren Kindern nach Grasse fahren. Amber war eine Idee für ein neues modernes Muster für die nächste Sommerkollektion gekommen, ein Blumendruck auf Seide, inspiriert von den Farben der Blumen, die sie bei ihrem ersten Besuch auf dem Markt in Grasse gesehen hatte, das Ganze im Stil von Monet. Es sollte ein fröhlicher, leichter Sommerstoff werden, auf luftige Seidenvoile gedruckt, der mit einem dichteren Unterstoff in zehn verschiedenen Farbabstufungen kombiniert werden sollte. Auf diese Weise konnte ein sommerlicher Raum, etwa in einem Wintergarten oder Gartenhaus, mit verschiedenen
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