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Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz der Seide: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Penny Jordan
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durften.
    Louise knickste, als wäre sie knicksend auf die Welt gekommen, was gewissermaßen der Wahrheit entsprach – zumindest war sie zum Knicksen geboren, wie Amber sich unglücklich eingestand, als sie in der Garderobe den Mantel ablegte und in ein Paar Hausschuhe schlüpfte, bevor sie sich in den Unterrichtsraum begab.
    Egal wie geduldig und freundlich Miss Marguerite sich ihr gegenüber zeigte, Amber wusste, dass sie die Kunst des Hofknickses niemals meistern und Schande über sich und, schlimmer noch, über ihre Großmutter bringen würde. Schon bei dem Gedanken schauderte sie.
    Heute stellte sie sich anscheinend noch dümmer an als sonst. Endlich war der Unterricht vorüber, aber damit leider nicht die Demütigungen.
    Louise ging Arm in Arm mit einer anderen Debütantin an ihr vorbei und blieb absichtlich in Hörweite stehen, um mit lauter Stimme zu verkünden: »Natürlich kriegt das Fabrikmädchen aus Macclesfield keinen anständigen Knicks zustande. Kein Wunder, dazu braucht man eine gute Abstammung. Habt ihr sie tanzen sehen? Wie ein Brauereigaul.« Louise äffte auf übertriebene Weise eine ungeschickte Tänzerin nach, machte dann einen übertrieben wackeligen Knicks und stolperte. »Wie Mummy immer sagt: Aus einem Schweineohr kann man keine Seidenbörse machen, und aus einem Mädchen aus der Seidenfabrik keine Aristokratin.«
    Eine Debütantin kicherte und dann die nächste, unverhohlen, während sich sogar jene, die nicht zu Louises Clique gehörten, von Amber abwendeten. Als hätte ich die Pest, dachte Amber elend.Wie damals, als Barrant de Vries ihre Großmutter abgewiesen hatte? Die Vorstellung, sie könnte etwas mit dieser formidablen alten Dame gemeinsam haben, war ein merkwürdiges Gefühl.
    In ihren Briefen wies Blanche sie ständig an, das zu tun, was man ihr auftrug, und nicht zu vergessen, was für ein Glück sie habe. Schwer vorstellbar, dass eine so beherrschte und entschlossene Person wie ihre Großmutter sich überhaupt von irgendjemandem abweisen ließ.
    In der Garderobe wurde Amber wieder einmal ignoriert, während die anderen Mädchen miteinander plauderten. Amber konnte Louises Stimme ganz deutlich hören.
    »Sehe ich dich dann auf Lady Wilson-Byers Lunchgesellschaft, Anthea? Ich glaube, die meisten von uns sind eingeladen. Oh, außer Amber natürlich. Tut mir leid für dich. Mummy hat mir aufgetragen, dir auszurichten, dass du dich heute selbst beschäftigen musst. Hab’s vergessen.«
    Nein, ich fange jetzt nicht an zu weinen, sagte Amber sich energisch und beugte sich beim Zubinden über ihre Straßenschuhe.
    Eigentlich hätte sie zu Norman Hartnell gehen müssen, um eines der Kleider anzuprobieren, das sie tragen sollte, wenn die Gesellschaften rund um die Vorstellung bei Hofe richtig in Schwung kamen, doch sie lenkte ihre Schritte stattdessen Richtung Piccadilly und National Gallery.
    Die National Gallery, die sie so oft mit ihren Eltern besucht hatte, war ihr in dieser fremden und unfreundlichen Welt zur Zuflucht geworden. Normalerweise brauchte sie nur die Luft dort einzuatmen, um sich zu beruhigen, doch diesmal schmerzten die Demütigungen so sehr, dass ihr Wundermittel seine Wirkung versagte.
    Sie stand vor einem Porträt von Lorenzo dem Prächtigen, dem Lieblingsporträt ihres Vaters, und versuchte wie immer, es mit seinen Augen und seinem Sachverstand zu sehen. Er hatte es besonders gemocht, weil er den schweren Stoff darauf beinahe spüren konnte – Florentiner Seide, in Brügge gefärbt, die Farbe mit Alaun fixiert -, und nun konnte sie seine Stimme hören und sein Lächeln sehen.
    »Den Medici ist es nie gelungen, dem Papst die Kontrolle über den Alaunhandel abzuringen«, sagte sie laut, vollkommen versunken in einer Vergangenheit, die weitaus glücklicher war als ihre Gegenwart.
    »Meinen Sie, es war Gottes Wille, dass die Macht der päpstlichen Gebete das machiavellische Verhandlungsgeschick der Medici übertrumpfte?«
    Amber fuhr zusammen. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie laut gesprochen hatte, geschweige denn, dass ein Mann hinter ihr stand, der ihr zuhörte und nun antwortete.
    Verlegen errötete sie und schüttelte den Kopf.
    Lachend erklärte ihr neuer Bekannter: »Ich persönlich halte es ja für eine Schande, dass die Medici in diesem Punkt keinen Erfolg hatten, aber ich hatte schon immer eine Schwäche für sie, vor allem für den alten Lorenzo. Er wusste ganz genau, wie man Eigennutz mit Frömmigkeit verbindet.«
    Noch nie hatte Amber einen so

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