Der Glanz der Seide: Roman (German Edition)
mir geschickt hat, andeuten.«
Sollte er Blanche von Lord Roberts sexueller Orientierung erzählen? Was wäre damit gewonnen? Nichts lag ihm ferner, als Amber in irgendeiner Weise zu schaden. Sie hatte deutlich gemacht, dass sie jetzt den Schutz eines respektablen Ehemanns brauchte, also war alles, was die Eheschließung aufschob oder gar verhinderte, nicht in ihrem Interesse. Sie wusste schließlich, was Lord Robert war, und sie mochte ihn, wie Jay wusste.
Es war nicht nur der alte Hund, der ihm keine Gesellschaft mehr leistete, er musste sich auch von seinen eigenen unerreichbaren Träumen verabschieden.
Zwei Wochen nach seinem Heiratsantrag wurden Amber und Lord Robert mit Sondergenehmigung in der St. Michael’s Church in Paris, der offiziellen Kirche der britischen Botschaft, getraut. Amber trug ein Hochzeitskleid von Vionnet, mit Perlen und winzigen Diamanten bestickt, und den Spitzenschleier, den die Devenish-Bräute seit vielen Generationen getragen hatten. Er war zusammen mit einem Teil des Familienschmucks per Kurier an die britische Botschaft in Paris geschickt worden.
Lord Levington führte sie dem Bräutigam zu, und Beth, die eine schlichtere Version von Ambers Hochzeitskleid in einem hübschen Lavendelblau trug, war ihre einzige Brautjungfer, während ein junger Diplomat aus der Botschaft den Dienst als Roberts Trauzeuge versah.
Sehr zu Ambers Erleichterung war Beth begeistert gewesen, als sie erfuhr, dass Amber Lord Robert heiraten wollte, und hatte sie sogar damit geneckt, sie habe sich schon die ganze Zeit gedacht, dass Amber auf dem besten Weg war, sich in ihn zu verlieben.
Es war leichter – und sicherer – gewesen, sie in diesem Glauben zu belassen.
Alle waren sich darin einig, dass Amber bemerkenswert ruhig gewesen war. Nur sie allein wusste, dass sie beinahe zusammengebrochen wäre, als die bezwingenden altehrwürdigen Worte der Vermählungszeremonie ernst in der eindrucksvollen Stille der Kirche erklangen. Es war ein schmerzlicher Augenblick, in dem sie sich verzweifelt nach dem Trost ihrer Eltern gesehnt hatte.
Und Jean-Philippe?, hatte sie sich gefragt, als Robert ihr den Ring auf den Finger geschoben hatte.
Nein! Jean-Philippe hatte sie angelogen und betrogen. Sie hatte ihn geliebt, doch damit musste Schluss sein. Aber sie konnte ihn genauso wenig hassen wie ihre Großmutter Barrant de Vries.
Seit der schrecklichen Szene, als sie ihn damit konfrontiert hatte, was Lord Robert ihr erzählt hatte, hatte sie Jean-Philippe nicht mehr gesehen; und sie hatte auch nicht den Wunsch dazu. Sie wollte ihn nie wiedersehen und am liebsten vergessen, dass sie ihn je gekannt hatte.
Hatte ihre Großmutter dieselbe Dankbarkeit für Henry Pickford empfunden, die Amber für Robert empfand? Auf keinen Fall wollte Amber ihrer Großmutter ähnlich sein.
Robert neigte den Kopf, und seine Lippen waren freundlich und warm, als sie über ihren Mund strichen. Sie waren verheiratet. Es war vollbracht. Sie war in Sicherheit.
Robert führte sie den Mittelgang hinunter, während der Organist die Kirche mit dem Brausen von Händels triumphaler Musik erfüllte.
Obwohl eine Kirche nicht der rechte Ort für solche Gedanken war, hatte sie schreckliche Alpträume über Caroline Fitton Legh gehabt. Wie erbärmlich unglücklich und verängstigt musste sie gewesen sein, von Greg verlassen und von ihrem Mann verstoßen. Was hatte sie für einen schrecklichen Preis gezahlt.
Amber hatte so viel Glück. Robert hatte sie vor der Schande und der Schmach bewahrt, die Louise im Augenblick erleben musste, und womöglich vor der noch schrecklicheren Situation, in der Caroline Fitton Legh sich befunden und in die Jean-Philippe sie gebracht hatte, ohne einen einzigen Gedanken an sie zu verschwenden. In Situationen wie diesen zahlte immer die Frau den Preis, nicht der Mann.
Sie würde nie vergessen, was Robert für sie getan hatte, und sie würde ihm immer dankbar sein, sagte Amber sich leidenschaftlich und leistete innerlich einen ernsten Schwur, dass ihre Liebe und ihre Loyalität von nun an allein Robert galten.
Das Kirchenportal flog auf, und sie traten hinaus in den Sonnenschein.
Ganz in die Intensität ihrer Gefühle versunken, wandte Amber sich mit vor Dankbarkeit überfließendem Herzen zu Robert um. Diesen Augenblick fing Cecil mit der Kamera ein. Das Foto begleitete später eine Flut begeisterter Artikel in den Gesellschaftsspalten der britischen Zeitungen, die über ihre Hochzeit berichteten. Eine junge Frau,
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