Der Glanz des Mondes
Proteste verstummen, indem ich ihm erlaubte Shun zu reiten; ich hoffte, dass mein Pferd auf ihn ebenso gut Acht geben würde wie in der Vergangenheit auf mich.
Der Abschied von ihnen allen fiel mir schwer, besonders von Makoto. Er war mein bester Freund, und wir umarmten uns lange. Am liebsten wäre ich gemeinsam mit ihm in die Schlacht gezogen, aber er wusste nichts über Seefahrt und ich brauchte ihn, damit er zusammen mit Kahei die Landtruppen befehligte.
»Wir sehen uns in Hagi wieder«, versprachen wir einander.
Als sie fort waren, wurde mir klar, dass ich über meine Truppenbewegungen zu Lande ständig auf dem Laufenden sein musste, genauso wie über Arais Vormarsch und über die Situation in Maruyama und in Lord Fujiwaras Residenz. Ich wollte wissen, wie der Mann von Adel auf mein neues Bündnis mit Arai reagierte. Nun konnte ich damit beginnen, das Netzwerk der Mutofamilie zu nutzen.
Kondo Kiichi hatte Shizuka und Kenji nach Shuho begleitet, und ich stellte fest, dass auch er von Nutzen sein konnte, da er nun in Arais Diensten stand. Zwischen Arai und Fujiwara bestand immerhin ein Bündnis, was Kondo eine Begründung lieferte, sich dem Edelmann direkt zu nähern. Shizuka beschrieb mir Kondo als einen im Wesentlichen pragmatischen und gehorsamen Mann, der jedem dienen würde, wenn Kenji es von ihm verlangte. Er schien kein Problem damit zu haben, mir die Treue zu schwören. Mit Kenjis Zustimmung machten sich Kondo und Shizuka auf den Weg nach Südwesten, um dort Kontakt zu den Mutospionen aufzunehmen. Ehe sie aufbrachen, nahm ich Shizuka beiseite und steckte ihr eine Nachricht für Kaede zu: dass ich sie liebte, dass ich bald käme, um sie zu befreien, dass sie Geduld haben solle und nicht sterben dürfe, ehe ich sie wiedersähe.
»Es ist gefährlich, besonders für Kaede selbst«, sagte Shizuka. »Ich will sehen, was ich tun kann, aber ich kann nichts versprechen. Du wirst in jedem Fall noch vor Vollmond Nachrichten von uns erhalten.«
Ich kehrte in den verlassenen Schrein an der Küste zurück und schlug dort mein Lager auf. Eine Woche verging; der Mond zeigte sein erstes Viertel und wir erhielten unsere erste Nachricht von Kondo: Arai war unweit von Yamagata auf die Otoriarmee getroffen, die den Rückzug nach Hagi angetreten hatte. Ryoma kehrte von Oshima zurück und richtete uns aus, die Terada seien bereit. Das Wetter hielt sich, die See war ruhig, abgesehen von der durch die Erdstöße verursachten kräftigen Dünung, was meine Ungeduld noch verstärkte.
Zwei Tage vor Vollmond, um die Mittagszeit, bemerkten wir die dunklen Umrisse in der Ferne, die sich von Oshima näherten: die Flotte der Piraten. Es waren zwölf Schiffe, zusammen mit den Fischerbooten genügend, um alle mir verbliebenen Truppen aufzunehmen. Ich ließ meine Männer am Ufer Aufstellung nehmen, bereit, an Bord zu gehen.
Fumio sprang vom vordersten Schiff und kam durch das Wasser auf mich zugewatet. Einer seiner Männer folgte ihm, er trug ein längliches Bündel und zwei kleinere Körbe. Nachdem wir uns umarmt hatten, sagte er: »Ich habe dir etwas mitgebracht, was ich dir zeigen möchte. Lass uns hineingehen; ich möchte nicht, dass jeder es sieht.«
Wir betraten den Schrein, während seine Seeleute darangingen, das Einschiffen zu organisieren. Fumios Begleiter legte die Bündel nieder und setzte sich dann draußen auf den Absatz der Veranda. Schon allein auf Grund des Geruchs konnte ich mir denken, worum es sich bei dem einen der Gegenstände handelte, und ich fragte mich, weshalb Fumio sich wohl die Mühe machte, mir den Kopf von jemandem zu bringen, und wessen Kopf es wohl war.
Er enthüllte ihn als Erstes. »Sieh ihn dir an, dann werden wir ihn begraben. Vor einigen Wochen kaperten wir ein Schiff, auf dem sich dieser Mann befand - zusammen mit anderen.«
Ich betrachtete den Kopf voller Abscheu. Die Haut war weiß wie Perlmutt und das Haar so gelb wie der Dotter eines Vogeleis. Die Gesichtszüge waren breit, die Nase gebogen.
»Ist es ein Mensch oder ein Dämon?«
»Es ist einer der Barbaren, die das Sehrohr bauten.«
»Ist es hier drin?« Ich deutete auf das längliche Bündel.
»Nein! Etwas sehr viel Interessanteres!« Fumio wickelte den Gegenstand aus und zeigte ihn mir. Ich nahm ihn vorsichtig in die Hand.
»Eine Waffe?« Ich war mir unsicher, wie man damit umging, aber das Gerät strahlte unmissverständlich aus, dass es ersonnen worden war, um damit zu töten.
»Ja, und ich denke, dass wir sie nachbauen können.
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