Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Glanz des Mondes

Der Glanz des Mondes

Titel: Der Glanz des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lian Hearn
Vom Netzwerk:
später im Jahr, jagen wir mit Falken. Hoffentlich werden Sie dann noch hier sein.«
    Er ist schon ein richtiger Mann, dachte Shizuka. Wenn ich ihn doch nur beschützen könnte. Wenn die beiden doch ewig Kinder bleiben könnten!
    Ihre Großmutter kam mit dem Wein. Shizuka nahm ihn ihr ab und schenkte den Männern ein. Dann begleitete sie die alte Frau in die Küche, atmete tief ein, erkannte die vielen altvertrauten Gerüche wieder. Die Mägde, Cousinen von ihr, begrüßten sie freudig. Sie wollte beim Kochen helfen, wie sie es früher immer getan hatte, aber die anderen ließen sie nicht.
    »Morgen, morgen«, sagte ihre Großmutter. »Heute Abend darfst du unser werter Gast sein.«
    Shizuka setzte sich auf die Holzstufe, die von der ebenerdigen Küche in den Hauptbereich des Hauses hinaufführte. Sie konnte das Gemurmel der redenden Männer hören, die höheren Stimmen der Jungen, die von Zenko brach bereits.
    »Lass uns zusammen eine Schale trinken«, sagte ihre Großmutter kichernd. »Wir hatten nicht mit dir gerechnet, umso willkommener bist du. Sie ist ein Juwel, nicht?«, rief sie den Mägden zu, die ihr bereitwillig zustimmten.
    »Shizuka ist schöner denn je«, sagte Kana. »Sie wirkt eher wie die Schwester der Jungen als wie ihre Mutter.«
    »Und sie hat einen gut aussehenden Mann im Schlepptau, wie immer«, lachte Miyabi. »Hat er dir wirklich das Leben gerettet? Das klingt wie aus einem Märchen.«
    Shizuka lächelte und stürzte den Wein in einem Zug hinunter, genoss den Moment, wieder zu Hause zu sein und dem zischenden Dialekt ihrer Verwandten zuzuhören, die sie nach dem neuesten Klatsch und Tratsch bedrängten.
    »Es heißt, Lady Shirakawa wäre die schönste Frau in den Drei Ländern«, sagte Kana. »Ist das wahr?«
    Shizuka leerte die zweite Schale, spürte, wie die Wärme des Weins auf ihren Magen traf und wohlig in alle Richtungen ihres Körpers ausstrahlte.
    »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie schön«, sagte sie. »Ihr sagt, ich wäre hübsch. Nun, Männer sehen mich an und wollen mit mir schlafen, aber sie blicken auf Shirakawa Kaede und verzweifeln. Sie können die Tatsache nicht ertragen, dass es solche Schönheit gibt und dass sie sie niemals besitzen werden. Ich kann euch sagen, dass ich wegen ihres Aussehens weitaus mehr Stolz empfand als wegen meinem.«
    »Sie soll die Leute behexen«, sagte Miyabi. »Und jeder, der sie begehrt, muss sterben.«
    »Sie hat deinen Onkel behext«, kicherte die Alte. »Du solltest hören, wie er von ihr schwärmt.«
    »Warum hast du sie verlassen«, fragte Kana und warf geschickt Gemüse in den Dampftopf, das hauchdünn geschnitten war wie Papier.
    »Sie wurde selbst behext, durch Liebe. Sie ist zu Otori Takeo gereist, dieser Kikutajunge, der so viel Unheil angerichtet hat. Sie sind fest entschlossen zu heiraten. Er hat mich und Kondo fortgeschickt, weil die Kikuta das Todesurteil über ihn verhängt haben.«
    Kana schrie auf, als ihre Finger versehentlich in den heißen Dampf gerieten.
    »Ach wie schade«, seufzte Miyabi. »Dann sind sie beide verloren.«
    »Was hast du erwartet?«, erwiderte Shizuka. »Du weißt doch, welche Strafe auf Ungehorsam steht.« Aber in ihren Augenwinkeln begann es zu brennen, als müsste sie gleich in Tränen ausbrechen.
    »Na, na«, tröstete sie ihre Großmutter, die sanftmütiger zu sein schien, als Shizuka es in Erinnerung hatte. »Du hast eine lange Reise hinter dir. Du bist müde. Iss etwas und komm wieder zu Kräften. Kenji wird heute Abend sicher mit dir sprechen wollen.«
    Kana schaufelte Reis aus dem Kochtopf in eine Schüssel und häufte das Gemüse darüber. Es waren die Frühlingssorten aus den Bergen: Klette, junger Farn und Wildpilze. Shizuka aß gleich an Ort und Stelle, auf ihrer Stufe sitzend, wie sie es schon als Kind so oft getan hatte.
    Miyabi erkundigte sich vorsichtig: »Ich muss die Betten vorbereiten, aber… wo soll der Fremde denn schlafen?«
    »Er kann bei den Männern übernachten«, erwiderte Shizuka, den Mund voll Reis. »Ich werde mit meinem Onkel noch länger aufbleiben.«
    Wenn sie im Haus ihrer Familie zusammen übernachteten, kam das einer Ankündigung ihrer Hochzeit gleich. Shizuka war sich noch nicht sicher. Sie würde jedenfalls nichts unternehmen, ohne zunächst Kenjis Rat eingeholt zu haben.
    Die Großmutter tätschelte ihr die Hand, ihre Augen strahlten fröhlich, dann goss sie sich und Shizuka noch eine Schale Reiswein ein. Als auch der Rest der Mahlzeit fertig zubereitet war und die

Weitere Kostenlose Bücher