Der Glanz des Mondes
nie berühren, niemals mit ihr schlafen, doch er hatte ihre erwachende Begierde erkannt und mit diesem perversen Geschenk schmähte und quälte er sie gleichermaßen.
Tränen schossen ihr in die Augen. Kaede wickelte die Schnitzerei wieder in das Tuch und legte sie in den Kasten zurück. Dann legte sie sich auf das Bett in ihrem Hochzeitszimmer und weinte leise um den Mann, den sie liebte und herbeisehnte.
KAPITEL 7
»Ich fürchtete schon, ich müsste deiner Frau die Nachricht überbringen, du seist verschwunden«, sagte Makoto, als wir durch die Dunkelheit zum Schrein zurückliefen. »Ich hatte mehr Angst davor als vor irgendeiner Schlacht, in die ich je gezogen bin.«
»Und ich hatte Angst, ihr könntet mich im Stich gelassen haben«, entgegnete ich.
»Ich hoffe doch, dass du mich besser kennst! Es wäre meine Pflicht gewesen, Lady Otori zu informieren, aber ich wollte Jiro hier mit Pferden und Proviant zurücklassen und wiederkommen, sobald ich mit ihr gesprochen hätte.« Er fügte mit leiser Stimme hinzu: »Ich würde dich niemals im Stich lassen, Takeo; das solltest du wissen.«
Ich schämte mich meiner vielen Zweifel und erwähnte lieber nichts davon.
Er rief die Männer, die gerade Wache hielten, und sie erwiderten seinen Ruf.
»Ihr seid alle wach?«, sagte ich, denn normalerweise teilten wir die Nachtwache ein und schliefen in mehreren Schichten.
»Niemandem von uns war nach schlafen zu Mute«, erwiderte er. »Die Nacht ist zu schwül und drückend.
Der Sturm, durch den du aufgehalten wurdest, kam völlig überraschend. Und in den letzten Tagen hatten wir das Gefühl, dass uns irgendjemand beobachtet. Jiro ging in den Wald, um nach wilden Süßkartoffeln zu suchen, und sah jemanden, der sich in einem Baum versteckt hielt. Ich dachte mir, dass die Banditen, die der Fischer erwähnte, vielleicht von unserer Anwesenheit erfahren haben und prüfen wollten, wie viele wir sind.«
Wir hatten mehr Lärm veranstaltet als ein Haufen Ochsen, als wir den zugewucherten Pfad entlanggestolpert waren. Falls uns jemand beobachtete, wusste er mit Sicherheit, dass ich zurückgekehrt war.
»Wahrscheinlich haben sie Angst, wir könnten Konkurrenten sein«, sagte ich. »Sobald wir mit der Verstärkung zurück sind, werden wir sie uns vom Hals schaffen, aber jetzt, wo wir nur zu sechst sind, können wir es nicht mit ihnen aufnehmen. Wir werden im frühen Morgengrauen aufbrechen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie uns nicht am Straßenrand auflauern.«
Es war unmöglich festzustellen, welche Stunde wir hatten oder wie viel Zeit uns noch bis zum Tagesanbruch blieb. Die Gebäude des alten Schreins waren erfüllt von seltsamen Geräuschen: das Knarren der Holzbalken, das Knistern der mit Stroh gedeckten Dächer. Eulen riefen die ganze Nacht hindurch vom Wald herüber, und einmal hörte ich das Tappen von Pfoten: ein verwilderter Hund, vielleicht sogar ein Wolf. Ich versuchte zu schlafen, doch in meinem Kopf schwirrten die Gedanken an all jene, die mich töten wollten. Es war sehr gut möglich, dass man uns bis hierhin verfolgt hatte, und unsere Verspätung machte es noch wahrscheinlicher. Die Fischer - oder sogar Ryoma - hatten vielleicht etwas über meine Fahrt nach Oshima ausgeplaudert, und mir war nur zu bewusst, dass die Spione des Stamms überall lauern konnten. Ganz abgesehen von dem Todesurteil, das sie über mich verhängt hatten, würden viele vom Stamm sich nun der Blutfehde verpflichtet fühlen, um ihre Angehörigen zu rächen.
Obwohl ich bei Tageslicht dazu neigte, an die Wahrheit der Prophezeiung zu glauben, fand ich sie nun, wie immer in den ersten Morgenstunden, weniger beruhigend. Ich kam meinem Ziel nur in winzigen Schritten näher; der Gedanke zu sterben, ehe ich es erreicht hatte, war mir unerträglich. War ich ebenso sehr ein Verrückter wie Jo-An, mir einzubilden, sie alle besiegen zu können, wenn so viele gegen mich antraten?
Ich musste eingenickt sein, denn als ich die Augen das nächste Mal aufschlug, war der Himmel bereits hellgrau und die Vögel begannen zu singen. Neben mir schlief Jiro immer noch, mit tiefen, ruhigen Atemzügen wie ein Kind. Ich berührte ihn an der Schulter, um ihn zu wecken, und er schlug lächelnd die Augen auf. Dann, als er aus der anderen Welt hinüberglitt, sah ich, wie seine Miene sich schlagartig vor Kummer und Enttäuschung verdüsterte.
»Hast du geträumt?«, fragte ich.
»Ja. Ich sah meinen Bruder. Ich war so froh, dass er doch noch am Leben war. Er rief mir zu,
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