Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
nicht einmal Lyle es wusste? Woher hatte sie gewusst, wo sie Aldo finden konnte?
Auf einmal wurde Elena von einer neuen Angst ergriffen. Sie konnte unmöglich zugeben, dass Lyle der Vater von Marcus war. Was, wenn Aldo ihm das erzählte?
»Das spielt keine Rolle«, sagte sie hastig.
»O doch, für mich schon.« Aldo versuchte, den Kopf zu bewegen, und stöhnte erneut vor Schmerz auf. »Seine Frau … sie hat mir gesagt, du treibst es immer noch mit ihm … hinter meinem Rücken. Stimmt das?«
Elena riss die Augen auf. »Nein, Aldo. Ich habe ihn nur zweimal gesehen. Einmal hier im Krankenhaus und einmal, als wir Marcus zum Röntgen gebracht haben.«
»Lügnerin! Du … du willst mit ihm auf und davon!« Aldo schrie fast. Er schien ungeahnte Kräfte zu entwickeln trotz seines Zustandes.
»Natürlich nicht, Aldo. Lyle … Dr. MacAllister … ist im Begriff, sich von seiner Frau scheiden zu lassen, weil er mit seiner Pilotin, Miss Sweeney, verlobt ist. Offensichtlich ist seine Frau wütend und will ihn verletzen, indem sie unser Leben zerstört.«
»Sie ist nicht schuld daran, dass unser Leben zerstört ist. Du … du … bist schuld! Du hattest eine Affäre mit ihm … in Blackpool, stimmt’s?« Elena schwieg, sie brachte erneut kein Wort heraus. »Du schweigst. Das ist … ja wohl Schuldeingeständnis genug. Ich sehe doch, dass Marcus … sein Sohn ist«, sagte Aldo.
Elena wusste, dass es keinen Zweck mehr hatte zu leugnen. »Er weiß es nicht, und ich will nicht, dass er erfährt, dass Marcus sein Sohn ist, weil ich mit dir verheiratet bin …«, flüsterte sie.
Aldo sah Elena ungläubig an. Niemals war das, was sie ihm da gerade gesagt hatte, die Wahrheit. Sie wollte ihm weismachen, dass sie den Arzt belogen hatte und dass sie sich darum sorgte, er könne herausfinden, dass er der Vater des Jungen war.
»Geh! Geh mir aus den Augen, prostituta «, zischte er.
»Bitte, Aldo, du musst verstehen … Ich hab nicht gewusst, was ich sonst tun sollte …«
»Da gibt es nichts zu verstehen. Meine Frau … ist eine verlogene Hure.« Aldo schleuderte Elenas Hand weg, als könne er sich bei der Berührung vergiften.
Elena trat vom Bett zurück. Sie war wie gelähmt, ihre Gefühle wie erstarrt. Als sie den Vorhang zurückzog, glaubte sie, jemanden aus dem Zimmer huschen zu sehen. Eine Welle der Demütigung trieb ihr die Röte ins Gesicht. Dann beruhigte sie sich. Ihre Augen waren tränenverschleiert, bestimmt war da niemand gewesen.
Auf dem Korridor kam Deirdre auf Elena zugelaufen. »Ich wollte Sie gerade holen«, sagte die Schwester. »Dr. Thompson möchte Sie in seinem Sprechzimmer sehen.«
Aus Deirdres vertrauensseligem Gesichtsausdruck schloss Elena, dass die Schwester ihr Gespräch mit Aldo nicht mit angehört hatte. Sie musste sich den Schatten, der durch die Tür gehuscht war, eingebildet haben.
Elena ging den Korridor entlang zu Neils Sprechzimmer. Sie fühlte sich wie betäubt. Was würde Marcus tun, sollte er herausfinden, dass der Papà, den er sein ganzes Leben gekannt hatte, gar nicht sein leiblicher Vater war? Sie betete, dass sie Aldo überreden konnte, dem Jungen nicht die Wahrheit zu sagen, aber sie fürchtete, dass er ihr diesen Gefallen nicht tat. Er war zu sehr in seiner Ehre gekränkt. Aber auch wenn Aldo dem Jungen nichts sagte, würde er sich an ihrem Sohn rächen. Er würde ihn mit noch größerer Verachtung behandeln als ohnehin schon, und das konnte sie nicht zulassen.
»Kommen Sie herein, Elena«, sagte Neil, als sie an die Tür seines Sprechzimmers klopfte.
Elena setzte sich, weil ihre Beine so zitterten, dass sie glaubte, sonst stürzen zu müssen. Neil fiel ihr verstörter Blick auf, er nahm aber an, es sei der Schock angesichts von Aldos Unfall.
»Es ist alles andere als einfach, Ihnen diese Nachricht beizubringen, Elena«, begann Dr. Thompson.
»Schonen Sie mich nicht, Neil. Ich war Krankenschwester im Krieg. Ich habe so manche furchtbare Verwundung gesehen.«
»Aber diese Männer waren Fremde. Jetzt geht es um Ihren Mann, Elena.«
»Ja, da haben Sie Recht, aber ich muss jetzt stark sein. Sagen Sie mir, was Sie auf den Röntgenbildern gesehen haben.«
»Aldo hat diverse Knochenbrüche in den Beinen. Die meisten sind unkomplizierte Brüche, wir sind daher überzeugt davon, dass sie gut verheilen werden. Er hat einige Schwellungen an der Wirbelsäule. Diese Schwellungen werden sich im Laufe der Zeit zurückbilden, aber bis das so weit ist, wird er starke
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