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Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)

Titel: Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran
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sofortige ärztliche Hilfe brauchen«, antwortete Lyle.
    »Soll ich mitkommen?«, fragte Alison, als Lyle nach der holprigen Landung aus dem Flugzeug stieg.
    »Nein, bleib du bei der Maschine, für den Fall, dass jemand vorbeikommt«, sagte Lyle. Elena könnte kommen und dann nicht wissen, was sie denken sollte, wenn sie das verlassene Flugzeug auf der Straße sah. »Ich komme zurück, sobald ich kann.«
    Lyle griff nach seinem Arztkoffer und machte sich auf den Weg, doch bald merkte er, dass das Gebiet vom Boden aus ganz anders aussah. Der Pfad war nicht einmal zu sehen. Er wurde seit vielen Jahren nicht mehr befahren und war von Büschen überwuchert, voller Steine und gesäumt von Spinifex, einem Süßgras. Immer wieder drehte Lyle sich nach dem Flugzeug um, das er als markanten Orientierungspunkt benutzte. Er war froh, dass das Gelände zum Fluss hin leicht abfiel.
    Lyle fragte sich, warum Marcus versucht hatte, den Lieferwagen seines Großvaters von der Straße herunterzulenken. Wollte er ausreißen? Natürlich hatte der Unfall seines Vaters ihn verstört, Vater und Sohn standen sich bestimmt sehr nahe. Beinahe den Vater zu verlieren war wahrscheinlich das Schlimmste, was er in seinem jungen Leben bisher erlebt hatte, und er wusste wohl nicht, wie er damit umgehen sollte. Es erinnerte Lyle daran, wie er sich gefühlt hatte, als er seinen Vater verlor, und er war zu dem Zeitpunkt schon ein erwachsener Mann gewesen. Lyle hoffte, dem Jungen ein wenig Trost und Unterstützung bieten zu können. Außerdem war er froh darüber, dass er etwas für Elena tun konnte. Er schuldete ihr so viel.
    Als Lyle den Lieferwagen erreichte, sah er, dass die Tür an der Fahrerseite offen stand, der hintere Reifen auf der Beifahrerseite steckte in einem Bodenloch fest. Man konnte erkennen, dass der Reifen durchgedreht hatte, Marcus musste versucht haben, wieder aus dem Loch herauszukommen. Aber wo war er jetzt? Lyle hoffte, dass er nicht in Panik geraten war und irgendwo in der gleißenden Nachmittagssonne umherlief. Man trocknete schnell aus bei der Hitze. Eingeborene Fährtensucher halfen manchmal, der Zeitfaktor war dann von ausschlaggebender Bedeutung. Sie könnten auch versuchen, Marcus mit dem Flugzeug zu finden, aber aus der Luft war es ebenfalls schwierig, einen Menschen auszumachen, wenn die Landschaft nicht ganz karg war.
    Lyle machte eine Ansammlung von Felsen etwa eine halbe Meile in westlicher Richtung aus – er hoffte, dass Marcus vernünftig genug gewesen war, Schutz zu suchen. Als er zurückschaute, erkannte er gerade noch das Flugzeug in der Ferne. Es war sein einziger Orientierungspunkt. Schnell machte er sich auf den Weg zu den Felsen.
    Als Lyle bei den Felsen ankam, huschten ein paar Gelbfuß-Felskängurus auf, die hier Zuflucht gesucht hatten. Es waren schöne kleine Tiere mit weichem dunkelbraunem Fell und goldgelben Pfoten, was ihnen den Namen gab. Auch zahlreiche Skinke sonnten sich auf den Felsen. Ein paar schlüpften schnell in die Spalten zwischen den uralten Felsblöcken, andere erstarrten in der Hoffnung, durch ihre Umgebung getarnt zu sein. Sie beobachteten den Eindringling mit schlangenähnlichen Augen. Solche Geschöpfe aus der Nähe zu sehen war immer ein Vergnügen für Lyle, aber diesmal war er mit den Gedanken bei Marcus. Lyle machte sich daran, das felsige Gelände zu umrunden. Er achtete sorgsam darauf, wohin er die Füße setzte, denn Schlangen sonnten sich gern in der Nähe von Felsen, und er wollte es nicht riskieren, gebissen zu werden.
    Marcus saß am Fuß eines Felsblocks, die Arme um die Knie geschlungen, und starrte in die Ferne. Lyle sah, dass er geweint hatte, und er spürte eine große Sympathie für den Jungen. In diesem Moment vermisste er Jamie so sehr, dass er sich körperlich krank fühlte.
    »Marcus«, sagte Lyle leise, in der Hoffnung, ihn nicht zu erschrecken, der Junge sollte nicht glauben, vor ihm weglaufen zu müssen.
    Marcus’ Kopf fuhr herum, und er riss die blutunterlaufenen Augen weit auf. Dann kam er auf die Füße und lief auf Lyle zu.
    »Geht es dir gut?«, fragte Lyle und breitete die Arme aus. Marcus war sicher überglücklich, ein bekanntes Gesicht zu sehen, und eine Umarmung tat ihm jetzt bestimmt gut. Weiter kam Lyle jedoch nicht. Marcus holte aus und schlug ihn mit der Faust mitten ins Gesicht. Vor Schreck wich er zurück. Er stolperte und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten. Seine Augen fingen an zu tränen, Marcus hatte ihn an der Nase getroffen.

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