Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
gleich bereit, Alison zu helfen, den Ersatzreifen aufzuziehen. Sie benutzte das Funkgerät auf der Farm, um sich mit dem Büro in Cloncurry in Verbindung zu setzen, und so konnte Mrs. Montgomery im Krankenhaus von Winton ihre Verspätung melden, damit Lyle sich keine Sorgen machen musste. Dass sie nun später als vorgesehen in die Stadt kommen würden, rief in Elena erneut Sorge hervor. Was würde Marcus tun, wenn er in die Stadt kam?
Als Marcus und Lyle die Stadt erreichten, bat der Junge, auf der Hauptstraße vor dem Krankenhaus anzuhalten.
»Ich will … meinen Papà sehen«, sagte er bestimmt, doch Lyle sah, dass Marcus schwankte zwischen Weinen, Verlegenheit und Groll.
»Natürlich willst du das«, sagte Lyle. »Aldo Corradeo ist der einzige Mann, den du je als deinen Vater gekannt hast, Marcus, du brauchst dich also deiner Gefühle für ihn nicht zu schämen.«
»Tu ich auch nicht«, erwiderte Marcus nachdrücklich.
»Gut«, sagte Lyle, aber jetzt war er verlegen.
Ihm war klar, dass er sich nicht gerade geschickt verhielt, aber er brauchte Zeit zum Nachdenken. Eigentlich wollte er Marcus vorwarnen, ihm sagen, dass Aldo womöglich nicht ganz er selbst sein würde und etwas Verletzendes sagte, denn schließlich stand er unter Schock. Er hatte herausgefunden, dass Marcus nicht sein Sohn war, und er litt unter den Folgen des Unfalls. Aber die Gelegenheit, das zu sagen, bekam er nicht. Kaum hatte er den Wagen angehalten, war Marcus auch schon herausgesprungen.
Lyle fuhr gleich zur Metzgerei Fabrizia. Elena hatte ihm von dem Fleisch erzählt, das der Lieferwagen geladen hatte. Luigi kam sofort aus dem Haus, als er den Wagen vorfahren sah. Besorgt hatte er auf Nachricht über seinen Enkel gewartet.
»Ihrem Enkel geht es gut, Mr. Fabrizia«, erklärte Lyle. »Er ist im Krankenhaus, er will seinen Papà besuchen.« Er hielt den Moment nicht für geeignet, um Elenas Vater zu sagen, was Marcus gerade herausgefunden hatte. Es war eine peinliche Situation.
Luigi war erleichtert, aber die Erleichterung verwandelte sich sofort in Ärger, als ihm klar geworden war, dass es Marcus gut ging. » Sì , aber er war ein böser Junge, weil er den Lieferwagen genommen hat, und dafür wird er bestraft. Das Krankenhaus wartet außerdem auf die Fleischlieferung.«
»Er war sehr aufgeregt, Mr. Fabrizia. Er ist emotional noch gar nicht reif genug, um zu verarbeiten, was da mit seinem Papà passiert ist.« Lyle hatte Angst, Luigi wäre allzu streng mit dem Jungen, das wäre im Moment das Letzte, was Marcus brauchte.
»Das überlassen Sie nur mir«, erklärte Luigi in einem Tonfall, der nahelegte, dass Lyle sich lieber um seine eigenen Angelegenheiten kümmern sollte. »Ich kenne Sie ja nicht mal.«
»Ich bin Dr. Lyle MacAllister. Ich bin in Cloncurry stationiert, bei den Fliegenden Ärzten, Mr. Fabrizia«, erwiderte Lyle.
»Oh, dann können Sie mir sicher sagen, ob Aldo wieder vollständig gesund wird?«
»Wie seine Prognose ist, kann ich noch nicht sagen. Aber ich will jetzt ins Krankenhaus und werde mich darum kümmern«, antwortete Lyle. »Ich weiß aber, dass seine Verletzungen wirklich gravierend sind. Es ist nur verständlich, dass Marcus nach dem Besuch bei seinem Papà so verstört war, also seien Sie bitte nachsichtig mit ihm.«
»Bei allem Respekt, Doktor, aber er ist mein Enkel, ich weiß also sehr wohl, wie ich mit ihm umzugehen habe«, meinte Luigi empört. Er holte das Fleisch aus dem Lieferwagen und brachte es erst einmal in den Laden, um nachzusehen, ob es verdorben war.
Luisa, die in ihrem winzigen Vorgärtchen gestanden und Unkraut gejätet hatte, als Lyle kam, wurde nachdenklich. Der Doktor, den sie erst einmal gesehen hatte, wirkte ernst. Er schien einen Beschützerinstinkt Marcus gegenüber entwickelt zu haben, und das machte ihr Sorgen. Sie betete, dass Marcus nichts über die wahre Identität seines Vaters herausgefunden hatte, aber irgendetwas musste passiert sein. Es war so untypisch für ihn, wie er sich benommen hatte. Dass er den Lieferwagen seines Großvaters gestohlen hatte, wollte so gar nicht zu ihm passen.
Entschlossen betrat Marcus das Krankenhaus. Niemand beachtete ihn, denn sonntags gab es weniger Personal, und alle waren sehr beschäftigt. Als er sich Aldos Zimmer näherte, wurden seine Schritte verhaltener. Vor der Tür blieb er schließlich zögernd stehen, sie stand weit offen. Dieses Mal war der Vorhang vor Aldos Bett nicht zugezogen. Marcus sah, dass Aldo eine Halskrause trug
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