Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
unvermeidlich bei den Verletzungen, mit denen er zu tun hatte, aber Norman hatte er besonders ins Herz geschlossen. Auch Elena mochte ihn sehr und sprach häufig über ihn. Er wandte sich an eine Stationsschwester.
»Was ist denn passiert mit … mit Norman? Es schien ihm doch ganz gut zu gehen, als ich wegfuhr.«
»Ich weiß nicht, Dr. MacAllister. Ich hatte zwei Tage frei und habe gerade eben erst wieder meinen Dienst angetreten, aber manchmal ergibt sich eine Verschlimmerung in kürzester Zeit.«
»Erkundigen Sie sich, Schwester«, wies Lyle sie an.
Er mochte den jungen Soldaten wirklich gern und hatte seinen trockenen Humor, den er trotz seiner tragischen Erlebnisse im Krieg nicht verloren hatte, schätzen gelernt.
Die Schwester kam mit einer erfreulichen Auskunft zurück. »Norman geht es gut, Dr. MacAllister.«
Lyle seufzte vor Erleichterung. »Wirklich? Sind Sie sicher?«
»Ja, es ist ein Platz in einem Genesungsheim in Bradbourne frei geworden. Offenbar ergab sich das alles ziemlich schnell, vor gerade einer Stunde erst hat man ihn verlegt.«
»Ach, das sind ja gute Nachrichten«, sagte Lyle dankbar. Trotzdem tat es ihm leid, dass er ihn verpasst hatte. »Ich glaube, seine Frau wohnt mit den Kindern in Etwall, er wird also in ihrer Nähe sein. Ich freue mich sehr für Norman, denn das ist für ihn bestimmt die beste Medizin. Wir haben hier nur begrenzte Möglichkeiten. Und wenn wir getan haben, was wir tun können, brauchen die Patienten den Trost ihrer Lieben.«
Als sich Lyle kurz darauf Normans Krankenakte ansah, ehe sie in die Ablage kam, klopfte ihm jemand auf die Schulter.
»Was machen Sie denn hier, Lyle?«, fragte Dr. Jason Hayes. »Gerade eben habe ich auf den Dienstplan geschaut. Sie müssen doch erst morgen wieder anfangen.«
»Ich weiß. Ich wollte nur nach ein paar Patienten sehen«, antwortete Lyle.
Natürlich sagte er nicht, was ihn tatsächlich veranlasste, an seinem freien Tag ins Krankenhaus zu kommen. Er musste sich beschäftigen, sonst würden ihn seine Grübeleien noch in den Wahnsinn treiben.
»Sie sind sich schon bewusst, dass die Hingabe, mit der Sie Ihren Dienst versehen, uns alle ziemlich schlecht dastehen lässt?«, sagte Jason mit einer Spur Sarkasmus.
Lyle kannte Jasons spöttische Art und ging deshalb nicht auf seine Bemerkung ein. Jason arbeitete genauso hart und mit genauso viel Hingabe wie er selbst.
»Ich habe gerade erfahren, dass man Norman Mason nach Bradbourne, Derbyshire, verlegt hat. Das sind wunderbare Neuigkeiten.«
»Wie ein Schneekönig hat der sich gefreut«, meinte Jason und lächelte. »Ach, da fällt mir ein, ich habe hier einen Brief von Norman, den soll ich Ihnen geben.« Er fischte in seiner Tasche und holte einen Umschlag hervor. »Er hat es sehr bedauert, dass er sich nicht von Ihnen verabschieden konnte, aber er wollte Ihnen danken für alles, was Sie für ihn getan haben.«
»Ich habe nur meine Arbeit gemacht«, sagte Lyle, dem immer unbehaglich zumute war, wenn man ihn lobte.
Er steckte den Brief in die Jackentasche. Seine Patienten glücklich und gesund sehen, mehr wollte er nicht.
»Sich die Nächte um die Ohren schlagen und mit Patienten Karten spielen, die nicht schlafen können, gehört nicht zu Ihren Aufgaben. Sie machen weit mehr als Ihre Arbeit, und das wissen die Patienten zu schätzen, Lyle. Viele Soldaten, die hier behandelt wurden, werden nie vergessen, wie freundlich Sie zu ihnen gewesen sind. Norman hat auch einen Brief für Schwester Elena dagelassen. Auch sie war besonders freundlich zu ihm.«
Lyle ertrug es kaum, Elenas Namen zu hören, und seine innere Anspannung wuchs. »Sie kommt morgen früh, oder?«, fragte er, so lässig er konnte.
»Sie ist heute schon hier, auf Station 2A.«
Lyle war verwirrt. »Auf der Station arbeitet sie sonst doch nicht«, sagte er. Die Dienstpläne mussten geändert worden sein während seiner Abwesenheit. Station 2A war eine von drei Stationen, die speziell den Grippepatienten vorbehalten waren.
»Ach, Sie wissen es ja noch gar nicht«, sagte Jason und runzelte die Stirn.
»Was weiß ich noch gar nicht?« Lyles Herz fing an zu rasen.
»Elena ist als Patientin dort.«
Die Krankenakte entglitt Lyles Händen und fiel zu Boden, die einzelnen Blätter flogen in alle Richtungen.
»Geht es Ihnen gut, Lyle?«, fragte Jason besorgt, als aus Lyles Gesicht alle Farbe wich.
Ohne ein Wort zu sagen, eilte Lyle davon.
Elena lag in einem der acht Betten der Station 2A und war kaum
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