Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
erzählen. Er wusste, wenn er das tat, würde sich ihr Gesundheitszustand von Neuem verschlechtern. »Ich vermisse dich auch.«
Im Laufe der nächsten Tage erholte sich Elena allmählich ein wenig. Das Weihnachtsfest kam schnell näher, und sie freute sich darauf, rechtzeitig aus dem Krankenhaus zu kommen, um mit Lyle zu feiern. Sie sprach mit ihm über ihre gemeinsame Zukunft, was ihr Kraft zu geben schien. Um ihretwillen machte Lyle mit. Mehr als alles auf der Welt wünschte er sich, dass sie wieder gesund wurde. Seine Tage waren ausgefüllt mit der Arbeit auf den Stationen und damit, dass er jeden freien Moment bei Elena verbrachte. Aber sie bestand darauf, dass er immer wieder kurz in sein Zimmer an der Ashbourne Street ging, um zu schlafen.
Eines Nachmittags fand Lyle beim Nachhausekommen einen Brief von Millie vor. Ihm war klar, dass sie ihn so schnell wie möglich wieder in Dumfries sehen wollte, und so fühlte er sich schon schuldig, bevor er den Brief überhaupt öffnete. Als er dann las, was sie geschrieben hatte, wurde er noch betrübter, als er schon war. Millie freute sich unbändig auf ihre bevorstehende Hochzeit, die, wie sie ihn erinnerte, schon eifrig von Bonnie geplant wurde. Das Baby erwähnte sie nicht, aber das brauchte sie auch nicht. Lyle kannte Millie. Die Aussicht, Mutter zu werden, entzückte sie. Das hatte sie immer schon gewollt, und schon seit Langem freute sie sich darauf. Der Brief setzte Lyle unter Zeitdruck. Millie rechnete damit, dass er sehr bald kam, aber Elena ging es noch nicht gut genug. Er konnte ihr einfach noch nicht sagen, dass sie beide keine gemeinsame Zukunft haben würden.
Die folgenden Tage vergingen wie in Trance. Lyle behandelte seine Patienten und ging anschließend zu Elena. Wenn er freihatte, verbrachte er jeden nur möglichen Augenblick bei ihr. Aber um Elena zu schonen, ging er ihren Eltern aus dem Weg.
Als Lyle eines Sonntagnachmittags seine Schicht beendet hatte, erkundigte er sich bei Dr. Gordon Benson nach der Prognose für Elena. Seit dem Ausbruch ihrer Krankheit waren einige Wochen vergangen. Gordon meinte, sie sei auf dem Weg der Besserung, sei jedoch immer noch sehr schwach. Lyle war derselben Meinung, daher überraschte es ihn, als Gordon vorschlug, sie an einem der nächsten Tage in die Obhut ihrer Familie zu entlassen.
»Halten Sie das wirklich für klug?«, fragte Lyle. Er machte sich Sorgen um Elena, aber auf Gordons Urteilsvermögen hatte er sich bisher immer verlassen. Er war einer der wenigen Ärzte, dem er voll und ganz vertraute.
»Elenas Mutter drängt mich seit einiger Zeit, sie zu entlassen, Lyle. Sie ist der Ansicht, und ich stimme mit ihr darin überein, dass Elena jetzt, da sie auf dem Weg der Besserung scheint, zu Hause gut aufgehoben ist. Ihre Mutter wird ihr ihre Lieblingsgerichte kochen, Essen, an das sie gewöhnt ist, und es hebt vielleicht auch ihre Stimmung, wenn sie in ihrer vertrauten Umgebung ist. Meinen Sie nicht auch?«
Gordon stammte nicht aus Dumfries, also wusste er auch nicht von Millie. Allerdings hatten er und Lyle eine Zeit lang in Edinburgh zusammen studiert, und ihm waren Lyles wahre Gefühle für Elena nicht entgangen. Ihm war auch aufgefallen, dass sein Kollege Elenas Eltern aus dem Weg ging, aber er verstand, dass die Fabrizias als Italiener recht feste Vorstellungen von der Zukunft ihrer einzigen Tochter hatten und davon, mit welchen Männern sie sich abgab.
Lyle wusste, die Zeit wurde knapp. Er musste Elena die Wahrheit sagen, ehe sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde. »Ja, die Liebe und die Fürsorge ihrer Eltern wird in den kommenden Monaten eine große Stütze für sie sein«, sagte er.
Er hoffte sehr, dass seine Worte sich bewahrheiteten.
Am nächsten Tag nahm Lyle all seinen Mut zusammen und machte sich auf den Weg zu Elenas Station. Vor der Tür des Krankensaals, in dem sie lag, hielt er einen Augenblick inne, um sich Mut zuzusprechen. Er musste mit ihr reden, und er musste es jetzt tun. Lyle holte tief Luft und öffnete die Tür.
»Lyle, Lyle! Sieh mal, wer hier ist!« Lyle fuhr erschrocken herum, und ehe er noch wusste, wie ihm geschah, warf Millie ihm die Arme um den Hals und drückte ihn fest. »Ach, Lyle, ich hab dich ja so vermisst«, rief sie hocherfreut und drückte ihm einen Kuss auf den Mund.
Lyle trat einen Schritt zurück, denn ihm war bewusst, dass er die Aufmerksamkeit von Gordon und die mehrerer Schwestern erregt hatte.
»Millie«, sagte er erschüttert. Sie war der letzte
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