Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
nehmen.
Millie lief ihm hinterher. »Wo gehst du hin, Lyle?«, fragte sie verwirrt.
»Mir ist nicht ganz … gut, Millie. Entschuldige mich bitte«, rief er über die Schulter zurück. »Wir reden morgen weiter.«
Lyle hörte Millie protestieren, doch er verließ ohne eine weitere Erklärung das Haus. Er lief und lief, immer weiter. Er musste laufen – so schnell er konnte, weglaufen vor den Worten, die er gerade gehört hatte. Er wollte in Elenas Arme laufen und in die Zukunft, die sie gemeinsam geplant hatten.
Millie hatte gespürt, dass Alain ihr etwas erzählen wollte, dann jedoch seine Meinung änderte. Warum, wusste sie nicht, aber sie war so besorgt darüber gewesen, dass sie Brid Carmichael aufsuchte, deren Schwester Georgette als Krankenschwester im Victoria Hospital arbeitete. Wie der Zufall es wollte, hatte auch Georgette Urlaub und war zu Hause, als Millie kam, jedoch gerade zum Einkaufen gegangen. Millie tischte Brid eine Lüge auf. Sie tat, als hätte Lyle einen kleinen Flirt mit jemandem aus dem Krankenhaus gestanden.
»So ein Schuft«, entrüstete sich Brid.
»Er ist einfach nicht mehr er selbst, Brid«, verteidigte Millie ihren Freund. »Diese entsetzlichen Verletzungen, mit denen er Tag für Tag zu tun hat, machen ihm schwer zu schaffen.«
»Du bist viel zu gut für ihn, Millie«, beharrte Brid. »Viel zu versöhnlich.«
»Ich will ihm nur helfen«, meinte Millie. »Ich muss einfach wissen, was genau auf mich zukommt. Meinst du, Georgette kann mir etwas sagen?«
Mit Georgette kam man nicht so gut aus wie mit der herzensguten, sanften Brid.
»Das wird sie schon, wenn sie etwas weiß. Sie hat sich mit Shamus Connors getroffen, ehe sie als Krankenschwester nach Blackpool ging. Es würde mich gar nicht wundern, wenn sie jetzt bei ihm wäre.«
»Mach keine Witze«, sagte Millie. Shamus war in ganz Dumfries als Schwerenöter bekannt.
»In der Hinsicht ist sie völlig unvernünftig, aber wenn sie dir nicht sagt, was sie weiß, werde ich unseren Eltern von Shamus erzählen.«
Als Georgette vom Einkaufen zurückkam, offensichtlich ohne etwas gekauft zu haben, bat Brid, sie solle Millie alles über die Schwester erzählen, mit der Lyle bei der Arbeit etwas angefangen hatte. Georgette war ehrlich überrascht. Es hatte Gerede und Tratsch gegeben, aber sie wusste nicht, ob Lyle sich tatsächlich mit Elena Fabrizia traf.
»Jetzt red schon, Georgie«, bat Brid. »Sag Millie alles, was du weißt, sonst spreche ich heute Abend mal mit Dad über Shamus Connors.«
Georgette wurde rot. »Was soll denn mit Shamus sein?«
»Das weißt du ganz genau. Du treibst dich seit einiger Zeit schon mit diesem Tunichtgut herum.«
Es sah aus, als wollte Georgette jeden Moment in Tränen ausbrechen. Alle Welt wusste, dass sie als Kind ständig geweint hatte, und Millie befürchtete, dass Georgette, wenn sie nun damit begann, ihr keine große Hilfe mehr sein würde.
»Dann ist es also nichts Ernstes, Georgette«, sagte Millie in der Hoffnung, Georgette abzulenken.
»So würde ich das nicht gerade sagen«, antwortete Georgette.
Millie wusste nicht, was sie davon halten sollte. »Ist sie sehr hübsch?«, fragte sie.
Einen Moment lang sah Georgette sie ausdruckslos an. Sie mochte nicht sagen, dass Elena bildschön war. »Sie ist Italienerin«, erwiderte sie und drückte sich so um eine Antwort. »Sie darf sich mit keinem der Ärzte treffen. Offenbar ist es bei Italienern so, dass die Väter ihren Töchtern die Ehemänner aussuchen.«
»Das kann doch wohl nicht stimmen«, meinte Millie. Tatsächlich hatte sie davon noch nie etwas gehört.
»Offenbar doch«, sagte Georgette. »Eine andere Schwester bei uns ist auch Italienerin. Sie hat ihren Ehemann erst einen Monat vor der Hochzeit zu Gesicht bekommen.«
»Das ist ja furchtbar«, sagte Millie. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass ihr Vater für sie den Mann aussuchte, den sie heiraten würde. Dann kam ihr etwas Schreckliches in den Sinn, und sie sprach ihre Befürchtungen schließlich laut aus. »Wenn Lyle und diese Elena ineinander verliebt sind, vielleicht laufen sie dann zusammen davon, damit sie auch gegen den Willen von Elenas Eltern heiraten können.«
»So was würde Lyle dir nicht antun«, sagte Georgette, die sich das nicht vorstellen konnte. »Oder doch?«
»Ich weiß nicht«, erwiderte Millie. Ihre Gefühle waren völlig in Aufruhr, plötzlich wusste sie gar nichts mehr sicher.
Es dauerte eine Weile, aber irgendwie konnten Brid und Georgette
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