Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
Millie schließlich davon überzeugen, dass Lyle sie nicht wegen eines kleinen Flirts bei der Arbeit verlassen würde, wenn es denn so etwas wie einen Flirt überhaupt gab.
Millie atmete auf. Sie war in anderen Umständen, allein deshalb durfte sie Lyle auf keinen Fall verlieren.
Tom MacAllister verließ Bertie Fairburns Haus und beschloss, noch ein Bier im Mulligan’s Inn zu trinken, ehe er nach Hause ging. Es war ein besonders langer und mühsamer Tag gewesen. Obwohl Bertie an einer schmerzhaften Gürtelrose litt, konnte er immer noch reden wie ein Buch, und Tom hatte rasende Kopfschmerzen. So nötig wie noch nie brauchte er jetzt ein Bier.
Als Tom die Gastwirtschaft betrat, erfuhr er von Duncan, dem Wirt, dass sein Sohn hinten in der Ecke beim Kamin saß und schon beim dritten Bier war, obwohl er gerade mal eine halbe Stunde da war. Es war eine Überraschung für Tom, dass er Lyle hier antraf, und dass er so viel trank, war gar nicht seine Art. Neugierig darauf, was seinen Sohn umtrieb, nahm er sein Glas und setzte sich zu ihm. Es war kalt und windig draußen, aber Tom fiel auf, dass Lyle keinen Mantel trug und auch keinen bei sich zu haben schien. Das fand er seltsam.
»Hallo, mein Junge«, sagte Tom. »Ich wusste gar nicht, dass du wieder zurück bist.«
»Hallo, Dad«, brummelte Lyle geistesabwesend.
»Wo ist dein Mantel?«
»Den habe ich bei Millie gelassen.«
Das hatte er erst gemerkt, als er schon auf halbem Weg zum Mulligan’s und ganz durchgefroren war. Das Ale hatte ihn ein wenig gewärmt und das Feuer auch, aber er war so niedergeschlagen, dass er am liebsten geweint hätte.
»Ich hatte einen wirklich üblen Tag«, erzählte Tom. »An Tagen wie diesen denke ich ernsthaft darüber nach, ob ich mich nicht bald zur Ruhe setzen soll. Kannst du mir sagen, wieso alle Babys mitten in der Nacht auf die Welt kommen wollen? Um drei Uhr heute früh lag Sally Sloan in den Wehen und kam nieder mit dem kräftigsten Jungen, den ich je gesehen habe. Bill hat ihn auf die Waage gelegt, und er wog beinahe elf Pfund. Ich muss wohl allmählich alt und verweichlicht geworden sein, denn es hat sich angefühlt, als hätte ich jede einzelne Wehe mit der armen Sally zusammen durchlitten. Gegen Mittag habe ich Angus Finlays Bein siebzehn Nähte verpasst, nachdem er bei einem Kampf mit einem seiner Widder nur Zweiter geworden war. Dann habe ich Hausbesuche gemacht, drei Patienten mit Grippe und zwei mit Mumps. Ich wollte gerade nach Hause und mich kurz aufs Ohr legen, da kam Maisie McTavish, zwei von ihrer Rasselbande hatten Furunkel, die geöffnet werden mussten. Ich habe ihr gesagt, sie soll später wiederkommen, aber sie hat gedroht, sie würde es selbst machen, wenn ich sie nicht gleich drannähme. Die Gören waren auch schon ganz hysterisch. Dann kam Nessie Ramsey in die Sprechstunde und bat mich, zur Spittle Doup Farm rauszukommen und mich um die Gicht von Fergus zu kümmern. Sie meinte, wenn ich nicht käme, würde sie ihm eine Pfanne über den Schädel ziehen, denn er würde sie noch in den Wahnsinn treiben. Es scheint, wir Ärzte müssen genauso viele Ehen wie Leben retten. Als Letztes war ich bei Bertie Fairburn zu Hause. Er hat eine üble Gürtelrose, aber den Mund gestopft hat ihm das nicht. Du solltest dankbar sein, dass du nur Soldaten zu behandeln hast. Was habe ich jetzt für grausame Kopfschmerzen …«
Lyle hatte von seinem Glas nicht einmal hochgesehen. Tom musterte ihn und versuchte, seiner Stimmung auf den Grund zu kommen. Wenn er bei Millie gewesen war und seinen Mantel dort gelassen hatte, so folgerte er, dann musste er ihr mitgeteilt haben, dass er sich in Blackpool in eine Krankenschwester verliebt hatte. Tom überlegte, ob Bonnie ihn wohl aus ihrem Haus geworfen haben könnte, weil er Millie das Herz gebrochen hatte.
»Was ist denn passiert, Junge?«, fragte er, nachdem er eine ganze Zeit geschwiegen hatte.
»Millie ist schwanger«, sagte Lyle. Schon diese Worte auszusprechen, verursachte ihm Schmerzen.
Die Neuigkeit erschütterte Tom. »Na ja, ich hoffe, du hast ihr nicht gesagt, dass du dich in eine andere verliebt hast.«
»Nein, natürlich nicht. Wie hätte ich ihr das jetzt sagen können?«
»Das wäre auch nicht gegangen«, meinte Tom. »Was wirst du nun tun?«
»Ich habe keine Ahnung. Ich bin nach Hause gekommen, um mich von Millie zu trennen. Elena und ich, wir haben unsere gemeinsame Zukunft schon geplant.«
»Mit oder ohne den Segen ihrer Eltern?«
»Ohne. Elena sollte mit
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