Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
angebracht war, und stimmte allem zu, was Millie vorschlug, aber mit dem Herzen war er nicht bei der Sache. Er hoffte, dass das niemandem auffiel.
Aber Millie fiel es auf. Sie kannte Lyle lange genug, und so sah sie, dass er nicht er selbst war. Es brach ihr das Herz, doch genau wie er gab sie sich Mühe, eine fröhliche Fassade zur Schau zu tragen. Sie nahm an, dass allein das Baby der Grund dafür war, dass Lyle an ihrer Seite blieb, trotzdem war sie dankbar für seine Anwesenheit. Sie tröstete sich mit dem Wissen, dass das Baby sie beide als Familie zusammenschweißen würde. Als Bonnie eine Bemerkung über die Veränderungen machte, die in Lyle vorgegangen war, erzählte Millie ihrer Mutter, er sei sehr mitgenommen von all dem Entsetzlichen, mit dem er im Krankenhaus konfrontiert gewesen war. Bonnie war voller Mitgefühl und versicherte Millie, dass mit der Zeit alles besser würde. Millie betete, sie möge Recht haben.
Die Tage zwischen Weihnachten und Neujahr gingen schleppend langsam vorüber. Am Silvesterabend trank Lyle so viel, dass er zusammenbrach. Für eine kurze Zeit konnte er dem Schmerz in seinem Herzen entfliehen, doch der folgende Morgen war umso schlimmer. Sein Hochzeitstag. Lyle stand auf und zog sich einen eleganten Anzug an. In seinem Kopf hämmerte es, als ob eine Lokomotive hindurchführe. Die beiden Familien MacAllister und Evans, dazu einige enge Freunde, versammelten sich um zehn Uhr in der presbyterianischen Kirche von Dumfries. Robbie war Lyles Trauzeuge und Brid Carmichael Millies Brautjungfer. Der Reverend war derselbe, der Lyle und Millie schon getauft hatte, sodass ihre Verbindung einen warmherzigen und persönlichen Segen erhielt. Lyle nahm wie geistesabwesend an der Zeremonie teil. Mit den Gedanken war er meilenweit entfernt … in Blackpool, bei Elena.
Bis in den Januar hinein fühlte Elena sich noch krank. Nacht für Nacht weinte sie um Lyle, aber tagsüber verbarg sie ihre Gefühle, so gut sie konnte. Appetit hatte sie immer noch nicht, sie war lethargisch und musste sich oft übergeben. Luisa machte sich Sorgen. Gegen Elenas Wunsch bat sie einen Arzt um einen Hausbesuch. Luigi hatte vorgehabt, Ende Januar nach Australien zu reisen, und erwartete, dass Elena und seine Frau ihn begleiteten; es musste ihr bis dahin also körperlich gut genug gehen, damit sie die mehrwöchige Schiffsreise überstand.
Elena hatte sich natürlich nicht einverstanden erklärt mitzukommen, aber ihre Meinung spielte keine Rolle. Luisa wusste, dass Elena daran festhielt, Aldo Corradeo nicht heiraten zu wollen, und sie wusste auch, dass man ihre Tochter nicht mit physischer Gewalt zu der Ehe zwingen konnte, aber sie war auch davon überzeugt, dass sich Luigi seine Pläne nicht von einer eigensinnigen Tochter verderben lassen würde. Falls Elena sich weigerte, nach Australien mitzukommen, würde er sie vermutlich enterben. Luisa liebte Elena, aber Luigi war ihr Ehemann, und seine Wertvorstellungen stammten noch aus der alten Heimat. Sie fühlte sich innerlich wie in zwei Teile gerissen.
Dr. Pritchard, der Hausarzt der Familie, erklärte, er sei sicher, Elena habe die Spanische Grippe inzwischen völlig überstanden. Sie hatte kein Fieber mehr, deshalb überraschte es ihn, dass sie sich immer noch krank fühlte. Er sah, dass sie stark abgemagert war und wunderte sich über ihre depressive Stimmung. Nachdem er Elenas Bauch abgetastet hatte, bat er Luisa, den Raum zu verlassen.
»Wann hatten Sie Ihre letzte Periode?«, fragte er die junge Frau, die von der Frage völlig überrascht wurde.
Elena dachte nach. »Als ich krank war, nicht mehr, es muss also Ende Oktober gewesen sein«, antwortete sie.
»Das ist über zwei Monate her«, meinte Dr. Pritchard.
»Aber ich war doch so krank. Kann so etwas nicht den Monatszyklus durcheinanderbringen?«
»Möglich ist das schon, aber Ihre Gebärmutter ist leicht vergrößert. Das kann ich deutlich spüren, weil Sie so dünn sind. Könnte es eventuell sein, dass Sie ein Kind erwarten?«
Elena errötete bis zu den Haarwurzeln. »Das könnte … eventuell sein«, flüsterte sie, denn sie hatte Angst, ihre Eltern würden sie hören. »Am Tag, als der Waffenstillstand bekannt gegeben wurde, war ich mit einem Mann zusammen. Aber Sie meinen doch nicht …«
»Mit Sicherheit kann ich es nicht sagen, aber die Übelkeit und die Tatsache, dass Ihre Monatsblutung ausgeblieben ist, legen doch nahe, dass ich mit meiner Vermutung richtigliege. Haben Sie sich in letzter
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