Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
entstanden.
Plötzlich öffnete Jamie die Augen. Lyle lächelte. Er sah hinunter in sein niedliches, unschuldiges Gesichtchen. »Hallo, mein Sohn«, flüsterte er gerührt. »Wir zwei werden viel Zeit miteinander verbringen. Natürlich muss ich zur Arbeit gehen, und dann wirst du bei deiner Mutter sein, aber den Rest der Zeit werden wir gemeinsam etwas unternehmen. Ich habe deine Ankunft auf der Welt verpasst, von jetzt an bin ich für dich da«, gelobte er. Jamie schien seinem Vater fasziniert zuzuhören. »Ich werde dir alles beibringen, was ein Junge wissen muss.«
Lyle sah sie beide zusammen zum Angeln gehen, Fußball spielen, Picknicks und Fahrradausflüge machen, und zufrieden seufzte er. Jetzt war er dankbarer denn je, dass der Krieg vorbei war. Er betete, es möge keinen weiteren Krieg geben.
Nichts sonst auf der Welt zählte mehr für Lyle, als er seinem Sohn in die Augen schaute. Absolut nichts! Jamie hatte sein Herz gewonnen, ganz und gar. Lyle wurde von einer Liebe überwältigt, die er vorher nicht für möglich gehalten hatte. Zum ersten Mal seit der Hochzeit mit Millie dachte Lyle nicht mehr an all das, was er aufgegeben hatte. Und so sollte es von jetzt an bleiben. Jamie sollte sein Leben sein.
9
Die Stille auf der Barkaroola Farm war zermürbend. Elena spürte, dass es wieder mal einer der Tage war, an denen die Einsamkeit ihr aufs Gemüt schlug. Sie öffnete die Verandatür und trat nach draußen. Nur heraus aus dem deprimierenden Haus. Apathisch starrte sie auf die nicht enden wollende graubraune Ebene, die sich so weit erstreckte, wie das Auge reichte. Hin und wieder hörte sie eine Krähe krächzen oder einen Rosakakadu kreischen, aber das waren die einzigen Geräusche, die die unheimliche Stille im Outback von Queensland durchbrachen.
In den Monaten, die Elena in der Gegend von Winton lebte, war sie in Gedanken oft zu dem Tag zurückgekehrt, an dem sie ihr neues Zuhause zum ersten Mal gesehen hatte. Zwei Tage hatten sie und Aldo, Luigi und Luisa sich in einer Pension in Winton eingemietet, sodass sie keine Zeit gehabt hatte, sich zu orientieren. Aldo hatte sich so gefreut, ihr und ihren Eltern die Farm zu zeigen, die er gekauft hatte, doch es war einer der traurigsten Tage in Elenas Leben gewesen, trauriger, als sie sich das je hätte vorstellen können.
Ein Blick auf die Barkaroola Farm von der Straße aus hatte genügt, und Elena war in Tränen ausgebrochen. Angesichts ihrer Reaktion war Aldo erstaunt und gekränkt gewesen, Luigi war wütend geworden, weil seine Tochter sich seiner Meinung nach dagegen sträubte, den Lebenstraum ihres Mannes zu unterstützen. Luisa hatte Elena damit entschuldigt, dass ihr die Hitze zu schaffen machte, dass sie Zeit brauchte, um sich einzugewöhnen und von der strapaziösen Reise zu erholen. Das stimmte zum Teil, aber was Luisa nicht erwähnte, war, dass sie Verständnis für die Gefühle ihrer Tochter hatte, die darüber hinaus unter der hormonellen Veränderung ihres Körpers litt. Sie mussten an das Baby denken und daran, dass Elena einen Ehemann brauchte, um es großzuziehen. Ihr Vater durfte niemals erfahren, dass sie ihre Jungfräulichkeit an einen Schotten, einen Protestanten noch dazu, verloren und dass der sie wegen einer anderen verlassen hatte.
Das Wohngebäude der Farm lag ein Stück von der unbefestigten Straße zurückversetzt am Ende einer staubigen Auffahrt. Irgendjemand hatte vor langer Zeit ein Stück Holz darangenagelt und Barkaroola daraufgepinselt. Das kleine Holzhaus war so grau wie die Umgebung und in katastrophalem Zustand. Sein Wellblechdach war wie ein Sieb durchlöchert, die baufällige Veranda mit Schutzblechen verkleidet, die sicherlich schon seit Jahren vor sich hin rosteten. Elena war versucht zu glauben, dass einzig die Spinnweben das Haus vor dem Zusammenfall bewahrten, aber das sprach sie nicht laut aus. Begeistert versicherte Aldo seiner Frau, die Farm – die er gekauft hatte, ohne sich mit ihr zu beraten – bald in Ordnung zu bringen, dann wäre sie im Umkreis von vielen Hundert Meilen die hübscheste. Elena äußerte sich dazu nicht, sie hatte Angst, zu weit zu gehen, aber in Gedanken riss sie das Haus ab und baute ein ganz neues, hübsches, das ihren Vorstellungen entsprach.
Kaum waren sie eingezogen, hatte Aldo Rinder und Pferde gekauft und eine Hilfe angestellt, Billy-Ray, einen eingeborenen Viehtreiber mit viel Erfahrung. Seitdem sah man an den meisten Tagen vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung nichts
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