Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
einem der maroden Verandapfosten festhalten musste. Sie krümmte sich zusammen, hielt sich den Bauch und stolperte ins Haus. Plötzlich lief ihr Wasser die Beine hinunter. Elena geriet in Panik. War ihre Fruchtblase geplatzt? Ein neuerlicher Schmerz schoss ihr durch den Rücken.
Elena begriff, dass die Wehen eingesetzt hatten. Mamma, dachte sie, hilf mir, lass mich nicht allein. Als der Schmerz nachließ, schleppte sie sich zur Funkstation. Das pedalbetriebene Gerät konnte zuweilen recht launisch sein, und Elena betete, dass dies keiner der unberechenbaren Momente war. Hektisch drückte sie den Knopf, der die Verbindung zum Gemischtwarenladen in der Stadt herstellte.
Knisternd und rauschend empörte sich der kleine Apparat, aber nichts tat sich. Dann endlich, nach einer scheinbaren Ewigkeit, meldete sich Mr. Kestle.
»Hier ist Elena Corradeo, Mr. Kestle«, rief Elena.
»Ach, Elena. Ist alles in Ordnung?«
»Nein, ich brauche meine Mutter, Mr. Kestle. Können Sie ihr bitte sagen, sie soll sofort auf die Barkaroola Farm kommen?«
»Das mache ich gern, Elena. Kann ich irgendetwas für Sie tun?«
Elena stöhnte laut auf, als eine weitere Schmerzwelle sie durchfuhr.
»Elena, was ist los? Stimmt etwas nicht mit Ihnen?«
»Ich glaube, das Baby kommt«, sagte sie.
Es wäre sinnlos gewesen, hätte sie etwas anderes behauptet. Ihr stand auch nicht der Kopf danach, sich irgendeine Geschichte auszudenken. Am nächsten Morgen würden sowieso alle in der kleinen Stadt wissen, dass das Enkelkind des Fleischers Luigi Fabrizia auf die Welt gekommen war.
»Das ist doch zu früh, oder?«
»Ja, das stimmt. Bitte sagen Sie meiner Mutter, sie soll sofort kommen. Schnell! Over und Ende.«
Joe Kestle lief gleich nach nebenan in Fabrizias Fleischerei, wo Luisa gerade eine Bestellung für einen Kunden zusammenstellte.
»Luisa, rasch! Ich glaube, wir müssen einen Doktor rausschicken auf die Farm Ihrer Tochter. Das Baby kommt«, rief Joe aufgeregt. Es passierte nicht oft etwas in Winton, und so war er für jede kleine Aufregung dankbar.
»Das ist nicht nötig, Joe«, erwiderte Luisa ruhig. »Ich habe früher als Hebamme gearbeitet. Wenn bei Elena die Wehen eingesetzt haben, komme ich schon klar.«
Luigi bediente gerade einen Kunden, aber jetzt horchte er auf. »Das Baby kommt? Es ist doch noch zu früh für Elenas Baby. Irgendwas stimmt da nicht.«
Luisa hatte schon ihre Schürze abgenommen und war auf dem Weg zur Ladentür. »Mach dir keine Sorgen, ich bin sicher, mit Elena und dem Baby ist alles in Ordnung«, beharrte sie.
Draußen vor der Tür stand der Lieferwagen, den Luigi kurz nach ihrer Ankunft gekauft hatte. Luisa hatte darauf bestanden, fahren zu lernen. Ihrem Mann hatte sie gesagt, sie könne dann die Fleischlieferungen auf die Farmen übernehmen, so müssten sie niemanden extra dafür einstellen. In Wahrheit hatte sie nur an ihre Tochter gedacht. Sie wollte so schnell wie möglich bei ihr sein, wenn die Wehen einsetzten.
Als Luisa auf Barkaroola eintraf, lag ihre Tochter auf dem Bett und war schweißgebadet. Elena stöhnte vor Schmerz. Noch nie war sie so dankbar gewesen, ihre Mutter zu sehen. Luisa untersuchte Elena und stellte fest, dass der Muttermund schon weit geöffnet war. Das Baby würde bald kommen. Schnell schätzte sie die Situation ein.
»Jetzt dauert es nicht mehr lang, Elena«, sagte sie und lief zum Herd, um Wasser zu erhitzen.
»Das musst du mir nicht erst erzählen, Mamma!« Elena stöhnte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich habe schon gedacht, du schaffst es nicht mehr rechtzeitig.« Sie hatte eine Heidenangst gehabt so ganz allein und hatte gebetet, dass Luisa rechtzeitig kommen würde.
Wieder wurde Elena von einer Schmerzwelle überrollt. Die Wehen kamen jetzt in sehr kurzen Abständen. Sie hatte kaum Zeit, sich zwischendurch zu erholen.
»Ich sehe das Köpfchen schon!«, rief Luisa überrascht, als sie mit dem heißen Wasser ans Bett zurückkam und ihre Tochter noch einmal untersuchte.
In weniger als einer Stunde war alles vorbei. Luisa hatte zu Hause in Italien einigen Kindern auf die Welt geholfen, aber nie war es so schnell gegangen. Es war auch schon viele Jahre her, und sie war stolz auf sich, dass die Geburt so unkompliziert verlaufen war. Jetzt band sie die Nabelschnur ab und klopfte dem Kleinen sachte auf den Rücken. Sofort begann er, laut protestierend zu schreien.
»Du hast einen gesunden Jungen«, sagte Luisa strahlend, rieb das Baby trocken, wickelte es
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