Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
wohnte unter der Woche in der Stadt bei ihren Eltern, damit er zur Schule gehen konnte. Freitagabends fuhr Luisa ihn dann immer zurück auf die Farm. Auf die Freitage freute Elena sich die ganze Woche. Es war das Einzige, worauf sie sich in ihrem neuen Leben in Australien freute. Als der Wagen vor dem Haus hielt, sprang Marcus heraus und flog ihr in die Arme. Dann begrüßte er fröhlich seine Geschwister.
Der November war brütend heiß wie in jedem Jahr, seit sie nach Winton gezogen war. Die beiden Kleinen, Maria und Dominic, waren immer zu Streichen aufgelegt und viel zu energiegeladen in der Hitze, weshalb sich die Woche endlos hinzog. Elena sah in ihnen immer nur ihren Vater. Sie hatten Aldos dunkles Haar und seinen olivfarbenen Teint geerbt. Gegen Ende des Sommers waren sie so von der Sonne gebräunt, dass man sie für Billy-Rays Kinder hätte halten können. Auch Marcus war ganz der Vater. Sein helles Haar war inzwischen mittelbraun geworden, genau wie Luisa es vorhergesagt hatte, doch seine Haut war hell geblieben, hell wie Lyles Haut, und er holte sich leicht einen Sonnenbrand.
Und als wäre die Hitze nicht schon übel genug, führte Elena einen ständigen Kampf gegen Ameisen, Tausendfüßler, Heuschrecken und Spinnen. Auch eine Mäuseplage hatte sie überstanden und sich geschworen, dass sie so etwas nie wieder erleben wollte. Den Versuch, die Fliegen vom Haus fernzuhalten, hatte sie aufgegeben, sie konzentrierte sich nur noch darauf, sie von den Lebensmitteln fernzuhalten. Das Haus erlebte außerdem immer wieder Invasionen von allerlei Krabbelgetier, das sie nicht einmal hätte benennen können, doch am meisten fürchtete Elena sich vor den Schlangen. In Australien waren einundzwanzig der fünfundzwanzig tödlichsten Schlangen der Welt heimisch, und mehrmals im Jahr kroch eine Schlange ins Haus, um der Hitze zu entgehen. Elena flüchtete dann immer mit den Kindern in die Stallungen, wo sie den ganzen Tag blieben, bis Aldo abends nach Hause kam und die Schlange hinausschaffte.
Und erst der Staub! Mit dem Staubputzen kam sie nie nach. Ständig musste sie Wasser aus dem Bohrloch ins Haus schaffen, um sauber machen zu können. Am Anfang hatte Elena sich noch die Mühe gemacht, die Gardinen immer wieder zu waschen, aber das hatte sie bald aufgegeben, denn es war eine Schlacht, die sie nicht gewinnen konnte. Wenn sie Maria und Dominic morgens saubere Sachen anzog, hatten diese fünf Minuten später dieselbe Farbe wie der Staub. Elena hatte sich deshalb angewöhnt, ihnen täglich saubere Kleidung herauszulegen. Es sah sie ohnehin niemand, denn sie bekamen nie Besuch. Elena fühlte sich ständig erschöpft und ausgebrannt, und sie hasste ihr Leben auf Barkaroola, aber sie wusste nicht, wohin sie sonst hätte gehen sollen. Das war die deprimierende Tatsache.
Aldo arbeitete hart auf dem Land und kam oft hundemüde und zu Tode erschöpft nach Hause. Er roch nach Schweiß und war über und über von Staub bedeckt. Oft hatte er sich bei der Arbeit auf den Viehweiden verletzt. Elena wagte es nicht, sich zu beklagen, obwohl sie das gern getan hätte. Sie wusste, Aldo glaubte, ihre Arbeit im Haus sei leicht verglichen mit seiner Arbeit mit dem Vieh, aber sie war anderer Meinung. Am Ende eines Tages war sie ganz genauso erschöpft wie er.
Aldo erwartete eine Mahlzeit auf dem Tisch, und Elena war klar, dass es ihre Pflicht war, sich darum zu kümmern, aber an manchen Tagen war es ihr so zuwider, ihren Pflichten nachzugehen, dass sie nur noch schreien wollte. Das Leben hatte sie maßlos enttäuscht.
Der einzige Mensch, bei dem Elena sich traute, sich zu beklagen, war Luisa. Ihre Mutter hörte immer zu und nahm immer Anteil, aber ihr eigenes Leben war nicht viel besser. Sie arbeitete hart mit Luigi in der Fleischerei und sah Elena nur, wenn sie freitagabends Marcus auf die Farm zurückbrachte und ihn am Sonntagabend wieder abholte. Sonntags begleitete Luigi sie meistens, der Freitagabend war also die einzige Zeit, während der die beiden Frauen wirklich reden konnten. Dann saßen sie auf der Veranda, plauderten über die Woche, die hinter ihnen lag, und schütteten sich gegenseitig ihr Herz aus.
»Wie ist es dir mit deinem Mann diese Woche ergangen?«, erkundigte sich Luisa jetzt, als Elena eine Kanne Tee nach draußen auf die Veranda brachte. Dort war es auch nicht viel kühler als im Haus, aber wenigstens nicht so stickig.
»Müde und schlecht gelaunt«, antwortete Elena, »aber das bin ich ja auch. Und wie geht es
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