Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
es ist, Mamma«, antwortete Elena müde. Es verging kein Tag, an dem sie nicht an Lyle dachte und an das, was hätte sein können. Vergessen konnte sie ihn kaum, denn Marcus hatte seine grünen Augen, seine Empfindsamkeit und auch manche seiner Eigenheiten geerbt. Sie liebte all ihre Kinder, aber sie konnte nicht leugnen, dass sie einen ganz besonderen Platz in ihrem Herzen für Marcus reserviert hatte. »Enttäuscht kann ich wohl kaum sein, denn ich habe ja nie erwartet, dass mein Leben anders sein würde«, sagte sie mit einem Hauch Traurigkeit.
Manchmal wünschte Elena, sie hätte den Mut gehabt, allein zu bleiben, als sie feststellen musste, dass sie von Lyle schwanger war, aber sie wusste, dass es sinnlos war, der Vergangenheit nachzutrauern. Trotzdem träumte sie gern von dem, was hätte sein können. In ihren Gedanken liefen verschiedene Szenarien ab – Millie verlor das Baby oder ließ sich von Lyle scheiden. Dann hatte sie immer ein sehr schlechtes Gewissen. Oft träumte sie auch davon, dass er auf der Suche nach ihr nach Blackpool zurückgekommen war. Aber das waren nur Fantasien, Tagträume, die ihr dabei halfen, die traurige Zeit durchzustehen. Manchmal drängte sich auch die Vorstellung in Elenas Gedanken, dass Lyle und Millie weitere Kinder bekommen hatten. Dann versuchte sie mit aller Macht, die Vergangenheit aus ihren Gedanken zu verbannen. Sie musste nach vorn schauen. Sie war gesegnet mit drei Kindern. Die Kinder waren ihr Leben.
Das Wochenende verging viel zu schnell. Als Luisa am späten Sonntagnachmittag mit ihrem Mann kam, brachte sie einen selbst gebackenen Kuchen mit. Den ganzen Samstag und auch den Sonntagmorgen hatte sie über Elena nachgedacht und wollte sie nun etwas aufheitern. Es tat ihr weh zu sehen, wie enttäuscht ihre Tochter vom Leben war. Aber eine Wahl hatte sie ja nicht gehabt. Sie war schwanger gewesen und hatte den Vater des Babys nicht heiraten können, also hatte sie Aldo heiraten müssen. Jetzt ging es darum, das Beste daraus zu machen.
»Aldo, Marcus, kommt zum Tee. Es gibt Kuchen!«
Marcus machte die Wassertröge, die er säubern musste, fertig, so schnell er konnte, dann kam er aufgeregt zum Haus gelaufen. Herzlich begrüßte er seine Großeltern. Elena schnitt den Kuchen an, während Marcus sich die Hände in der Waschschüssel wusch. Es machte sie glücklich, die Freude in seinem Gesicht zu sehen. Sie war ihrer Mutter so dankbar für alles, was sie für ihren Sohn tat.
Aldo begrüßte die Fabrizias wie immer schlecht gelaunt. »Du solltest doch die Wassertröge sauber machen, Marcus«, brüllte er wütend.
Marcus duckte sich. »Hab ich doch.«
»Sie sind immer noch schmutzig. Willst du, dass die Pferde aus dreckigen Trögen saufen, nachdem sie den ganzen Tag hart gearbeitet haben?«
Marcus ließ den Kopf hängen. Er wusste, er hatte die Arbeit flüchtig und schnell erledigt, weil er müde war, weil er zurück zum Haus wollte, um seine Großeltern zu sehen, und weil er Kuchen essen wollte. »Nein, Papà. Ich mache es noch einmal, wenn ich meinen Kuchen gegessen habe.«
»Du kriegst keinen Kuchen, Marcus. Und jetzt geh und mach die Tröge richtig sauber!«
»Aldo!« Elena war aufgebracht.
»Der Junge muss bestraft werden, weil er seine Aufgabe nicht ordentlich erledigt hat«, fauchte Aldo und setzte sich dann auf seinen Platz am Tisch.
Elena war wütend. Sie nahm die Platte mit dem Kuchen hoch. »Wenn Marcus keinen Kuchen bekommt, essen wir anderen auch keinen«, sagte sie entschieden. Sie stellte die Platte zurück in den Karton, den Luisa mitgebracht hatte. »Nimm den Kuchen wieder mit, Mamma«, beschied sie ihre Mutter.
Maria und Dominic fingen an zu weinen, aber Elena ließ sich nicht erweichen. Sie besänftigte ihre beiden Jüngsten, indem sie ihnen ein Stück Brot mit Marmelade schmierte, und Aldo stürmte wütend aus dem Haus.
Als Marcus sich eine Stunde später von seiner Mutter verabschiedete, war von Aldo nichts zu sehen. Er war von den Viehweiden nicht zurückgekommen, um seinem Sohn auf Wiedersehen zu sagen, was Elena ärgerte. Sie kannte ihren Sohn nur zu gut. Er war gekränkt, kämpfte seine Gefühle jedoch nieder. Er wollte nicht weinen, er wollte ein tapferer großer Junge sein. Sie drückte ihn fest an sich und küsste ihn auf die Wange. Wenn sie allein waren, weinte Marcus oft an ihrer Schulter und beklagte sich, dass sein Vater nie zufrieden war mit dem, was er machte. In diesen Momenten wünschte Elena sich verzweifelt, ihm sagen zu
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