Der Glanz des Südsterns: Roman (German Edition)
»Warum nicht?«, fuhr sie ihren Mann an.
»Du schadest deiner Gesundheit«, erklärte Lyle kühl.
Millie traute ihren Ohren nicht. Ärger kochte in ihr hoch. »Ach, tatsächlich, Dr. MacAllister? Vielleicht würde ich nicht so viel trinken, wenn ich einen Mann hätte, zu dem ich nach Hause kommen könnte, aber leider habe ich keinen. Ich habe einen Mann ohne Gefühle, einen Mann, der alle Menschen aus seinem Leben ausgeschlossen hat«, fauchte sie. Millie verlor den Kampf gegen ihre Emotionen und fing an zu weinen, was sie nur noch wütender machte.
Lyle ertrug es kaum, für noch etwas anderes die Schuld zugewiesen zu bekommen. Er merkte, wie seine Gefühle außer Kontrolle gerieten, aber er wollte keinen erneuten Rückschlag. Wortlos verließ er das Haus.
Das war der Tropfen, der für Millie das Fass zum Überlaufen brachte. Sie hätte einen tröstenden Arm gebraucht, ein Zeichen von Lyle, dass alles vielleicht wieder normal würde, doch das hatte sie nicht bekommen. Was konnte sie nur tun?
Es dauerte eine Weile, bis Lyle merkte, dass Millie nicht mehr so häufig trank. Sie schien ein wenig Abstand gewonnen zu haben. Obwohl sie noch sehr um Jamie trauerte und es kaum aushielt, wenn etwas sie an ihn erinnerte, hatte er sie morgens auch schon einmal ein Liedchen summen hören, wenn sie die Hausarbeit machte. Sie verbrachte immer noch viel Zeit außer Haus, aber es kam ihm nie in den Sinn, dass es einen bestimmten Grund dafür geben könne.
Tom MacAllister war es schließlich, der das Gespräch mit Lyle suchte.
»Ich habe Gerüchte dahingehend gehört, dass Millie sich mit einem anderen Mann trifft«, begann Tom vorsichtig. »Ich war mir nicht sicher, ob ich dir das erzählen sollte, aber ich finde besser, du hörst es von mir als von einem anderen.« Lyle sah seinen Vater nachdenklich an. »Du führst doch sowieso keine richtige Ehe mehr seit dem Tod des kleinen Jamie«, sagte Tom. Sie saßen im Mulligan’s Inn und tranken ein Bier, das erste Bier seit Jamies Tod. »Vielleicht ist es an der Zeit, dass ihr das Haus verkauft und euch trennt. Machst du das nicht, wirst du wie ein Idiot dastehen, Junge.«
Eine Scheidung war normalerweise nicht das, wozu Tom raten würde, aber er hatte Millie einfach nicht vergeben können, dass sie seinem Sohn die Schuld am Tod seines Enkels gab. Er war davon überzeugt, dass ihr Verhalten Lyle beinahe zerstört hätte.
»Bist du dir da auch sicher, Dad?«, fragte Lyle.
Er konnte sich kaum vorstellen, dass es stimmte, was sein Vater ihm da erzählte. Eine Überraschung hätte es eigentlich nicht sein sollen, denn Millie war jung, und ihre ehelichen Beziehungen hatten sie längst eingestellt, doch die Tatsache, dass er daran nie gedacht hatte, erschütterte Lyle.
»Ich habe es aus verschiedenen Quellen, also würde ich sagen, es muss wohl was Wahres dran sein. Überraschend ist es im Grunde nicht, oder, Junge? Seit dem Tod des kleinen Jamie habt ihr doch gar kein richtiges Leben mehr geführt. Ich verstehe ja, wie du dich fühlst, aber emotional so kühl und distanziert zu sein führt immer zu Problemen.«
Es entstand ein langes Schweigen. Dann begann Lyle zu sprechen. »Jamie war der einzige Grund dafür, dass ich Millie geheiratet habe«, gab er zu. Es war das erste Mal, dass er das laut aussprach, seit er seinem Vater von Millies Schwangerschaft erzählt hatte. »Wäre sie nicht schwanger gewesen, hätte ich Elena Fabrizia geheiratet, die Frau, die ich geliebt habe, das wissen wir beide.«
»Und nun, da du Jamie verloren hast, bist du verbittert«, sagte Tom.
»Ich kann nicht ändern, was geschehen ist, aber es gibt keine Freude mehr in meinem Leben, Dad. Jamie war mein Leben. Er war der Grund dafür, dass ich morgens aufgestanden bin. Mich um die Kranken in Dumfries zu kümmern ist einfach nicht genug. Und wahrscheinlich wird es auch nie genug für mich sein.«
Tom war erschüttert, als er seinen Sohn so reden hörte. »Du bist ein guter Arzt, Lyle. Einer der besten. Ich glaube, du leidest unter Depressionen, und das ist nur verständlich. Aber es dauert schon zu lange. Ich mache mir Sorgen um dich.«
»Ich mag vielleicht nie mehr glücklich werden, aber ich komme schon wieder in Ordnung, Dad«, antwortete Lyle.
Tom war sich da nicht so sicher. Das war nicht das, was er hatte hören wollen.
Lyle stellte Millie nicht zur Rede, aber er beobachtete sie fortan genauer. Sie verwandte tatsächlich mehr Sorgfalt auf ihre äußere Erscheinung und verbrachte einen Großteil
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