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Der Glaspavillon

Titel: Der Glaspavillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicci French
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Telefon.
    »Jane.«
    Ich öffnete den Mund, brachte aber kein Wort heraus.
    »Jane. Hier ist Kim. Jane, sag mir bitte, was los ist.«
    »Oh, Go-o-o-ott!« Stammte dieses dünne Jammern etwa von mir?
    »Jane, hör zu, ich komme rüber. Rühr dich nicht vom Fleck. In fünfzehn Minuten bin ich bei dir. In Ordnung?
    Fünfzehn Minuten. Alles wird wieder gut.«
    »Ich kann es dir nicht sagen. Ich kann’s nicht. O Gott.
    Ich kann’s nicht.«
    »Trink deinen Tee, Jane.« Brav nahm ich einen kleinen Schluck und zog eine Grimasse: Der Tee war milchig und süß, Babynahrung.
    »Also, ich werde dir jetzt ein paar Fragen stellen, okay?«
    Ich nickte.
    »Hat es was mit Natalie zu tun?«
    Ich nickte.
    »Glaubst du, du weißt etwas über Natalies Tod?«
    Ich nickte wieder.
    »Glaubst du, du weißt, wer der Mörder ist?«
    Nicken.
    »Hast du das in der Therapie rausgefunden?«
    »Ja.«
    »Hör zu, Jane, erzähl mir bitte, wer Natalie deiner Meinung nach umgebracht hat, aber denk daran, es wird nicht wahrer, wenn du es aussprichst.«
    »Ich – ich – oh, Gott, Kim, ich kann es nicht.«
    »Doch du kannst es. Ist es jemand aus deiner Familie?«
    »Meiner Großfamilie, ja.«
    »Sag mir den Namen, Jane.«
    Ich konnte seinen Namen nicht aussprechen. Also benutzte ich ein Wort, das überhaupt nicht zu ihm zu passen schien:
    »Mein Schwiegervater.«
    Mein Schwiegervater. Der beste Freund meines Vaters.
    Der Großvater meiner Söhne. Der Mann, den ich mein Leben lang kannte und von dem ich noch vor wenigen Wochen ganz nebenbei gesagt hätte, daß ich ihn liebte. Ich sah sein gemeines Gesicht vor mir, als ich die Worte hervorstieß.
    »Er hat sie bestimmt deshalb getötet, weil sie schwanger war. Vielleicht hat er sie geschwängert. Das wäre gar nicht so abwegig, ich traue es ihm zu. Noch ein Nervenkitzel, eine weitere Möglichkeit, sich an Martha zu rächen. Oder jemand anderes hat sie geschwängert, und er hat es rausgefunden. Wenn ich die Leute nach Natalie gefragt habe, haben sie immer betont, wie seltsam sie war: intrigant, berechnend, verschlossen, bezaubernd, sexy, voller sexueller Komplexe. Jetzt paßt alles zusammen.«
    Wieder kam es mir hoch, und ich rannte aus dem Zimmer, aber ich würgte nur den milchigen Tee heraus.
    Als ich zurückkam, starrte Kim aus dem Fenster.
    Stirnrunzelnd.
    »Jane«, sagte sie mit ernster Stimme. »Das ist ein ziemlicher Hammer, was du da behauptest.«
    »Ich weiß.« Ich schluckte schwer.
    »Es geht um deine Familie, Jane. Bist du ganz sicher?«
    »Ich habe es genauso deutlich gesehen, wie ich dich jetzt sehe.«
    »Du meinst also, Alan Martello hat seine eigene Tochter ermordet – womöglich nachdem er sie zuvor auch noch geschwängert hatte – und sie dann vor seiner eigenen Haustür vergraben?«
    »Ja.«
    »Hast du das der Polizei gesagt?«
    »Nein.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    Ich starrte hinaus in den Garten, wo eine Elster – der Trauervogel – über den durchweichten Rasen hüpfte.
    »Vielleicht mit jemandem darüber sprechen. Am besten mit Claud. Das bin ich ihm schuldig.«
    »Ja, ich denke, das solltest du. Aber vorher solltest du alles noch mal genau überdenken. Unternimm noch nichts, Jane. Laß dir erst alles gründlich durch den Kopf gehen.«

    »Jane, hier ist Caspar. Wann können wir uns treffen? Was machst du beispielsweise heute abend?«
    »Oh, ich kann nicht. Ich meine, da paßt es mir nicht.«
    »Ja gut, dann vielleicht morgen?«
    »Nein, ich kann nicht.«
    »Ist alles in Ordnung bei dir?«
    »Ja, klar.«
    »Na gut.« Seine eben noch so warme Stimme klang nun beleidigt. »Wenn du mich sehen möchtest, kannst du ja anrufen.«
    »Das mache ich. Caspar?«
    »Ja?«
    »Nichts. Tschüs.«

    »Du siehst furchtbar aus. Bist du krank?«
    Claud, der gerade von der Arbeit zurückgekommen war, stand in seinem hellgrauen Anzug in der Tür und betrachtete mich beunruhigt. Ich wußte, daß mein Anblick keine Freude war, schließlich hatte ich vor meinem Aufbruch in den Spiegel geblickt und war selbst erschrocken über mein verkniffenes Gesicht. Doch als ich Claud sah, spürte ich einen heftigen Schmerz über der Nasenwurzel. Ich hatte das Gefühl, meine Knie würden gleich nachgeben.
    »Komm rein, setz dich.«

    Er führte mich zum Sofa – so freundlich und sanft wäre er bestimmt nicht mehr, wenn ich ihm erst einmal meine Geschichte erzählt hatte. Lieber Himmel – ich war gekommen, um alles zu zerstören.
    »Sag mir, was du auf dem Herzen hast.«
    Seine Doktorstimme. Unter anderen

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